Roland Freisler wurde 1893 in Celle geboren
Der Jurist und Präsident des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes Roland Freisler hat in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit 2600 Menschen hinrichten lassen. Kaum bekannt ist die Tatsache, dass dieser unbelehrbare und von Ingo Müller 1987 als „furchtbarer Jurist“ abgestempelte Nazi gebürtig aus Celle stammt. In diesem Aufsatz soll ein Blick auf den Werdegang von Hitlers „Blutrichter“ und seine familiären Verhältnisse geworfen werden.
Von Matthias Blazek
Roland Freisler wurde in Celle am 30. Oktober 1893 als Sohn eines Studienrats (Diplomingenieurs) und dessen Frau geboren. Der Vater war römisch-katholischer Konfession, die Mutter reformierte Protestantin. Eine Geburtsanzeige in der Celleschen Zeitung gab es nicht, lediglich einen Hinweis in den Sammelmitteilungen des Standesamts vom 6. November 1893 (Bild rechts). Der Vater, Julius Freisler, geboren am 20. August 1862 zu Klantendorf im Kuhländchen (Südmähren), war erst wenige Wochen zuvor nach Celle gekommen, wo bereits am 30. April 1863 seine Frau, Florentine, geborene Schwerdtfeger, zur Welt gekommen war.
Das „Adreß- und Handbuch der Stadt Celle und deren Vorstädte für 1866“ nennt lediglich den Ziegeleibesitzer A. Schwerdtfeger, der im Haus Lachtehäuser Weg 202 lebte. 1872 wurde der Hinweis auf seine Ziegeleien in Celle und Groß Hehlen mit angeführt (außerdem der Arbeiter A. Schwerdtfeger im Haus Schulstraße 179). 1880 steht unter seinem Namen die aktuelle Straßenbezeichnung Lachtehäuser Weg 19 und 20, zeitgleich lebte der Invalide A. Schwerdtfeger im Haus Schulstraße 5, und 1890 wiederum lebte laut Celler Adressbuch nur noch der Arbeiter August Schwerdtfeger in Celle, und zwar im Haus Schulstraße 4.
Weniger bekannt ist, dass Roland Freislers Vater in den Matrikeln der Höheren Gewerbeschule der Polytechnischen Schule und der Technischen Hochschule zu Hannover (so auch der Buchtitel von Herbert Mundhenke) aufgeführt ist. Unter der Position 7932 ist Julius Freisler genannt. Demnach hatte dieser die Kaiserlich-Königliche Staats-Oberrealschule in Teschen (Ostschlesien) besucht. Er war in Hannover immatrikuliert vom 11. Oktober 1883 bis zum Wintersemester 91/92. Die Diplomhauptprüfung absolvierte er erfolgreich am 19. Dezember 1891. Sein Vater war bereits vorher verstorben, die Mutter lebte noch in Klantendorf, sie starb aber 1884/85.
Wann die Ehe zwischen Roland Freislers Eltern geschlossen wurde, ist nicht bekannt. Freisler wurde am 13. Dezember 1893 in Celle getauft. Im gleichen Monat zog die Familie nach Hannover und kurz darauf wiederum nach Hameln um, wo am 29. Dezember 1895 Roland Freislers Bruder Oswald geboren wurde. Der Vater wechselte zum 31. Januar 1896 nach Duisburg, wo er beim Hafenbauamt Arbeit gefunden hatte. Die Mutter, Florentine Freisler, starb am 20. März 1932 in Kassel, Julius Freisler starb daselbst am 18. November 1937.
In Aachen besuchte Roland Freisler vom 1. April 1901 bis 1903 die Grundschule und begann dort seine Gymnasial-Ausbildung, besuchte von 1903 bis 1908 die Unter- und Mittelstufe des Staatlichen Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums (das heutige Einhard-Gymnasium). Bald wurde Freisler der Ruf akademischer Gründlichkeit zuteil, man erkannte bei ihm die Bereitschaft, sich an der Debatte zu beteiligen. Im Herbst 1908 wechselte die Familie nach Kassel, wo Freisler 1912 das Abitur als Klassenbester bestand.
Er immatrikulierte an der Kieler Universität als Jura-Student, unterbrach sein Studium aber bei Kriegsausbruch, um bereits am 4. August 1914 als Freiwilliger in das Ersatzbataillon des Infanterie-Regiments 167 in Kassel einzutreten und bald darauf an der Ostfront eingesetzt zu werden. Am 18. Oktober 1915 geriet der Fahnenjunker (später Leutnant) Freisler in russische Kriegsgefangenschaft in Sibirien und lernte dort die Landessprache. Obwohl die Gefangenenlager 1918 aufgelöst wurden, kehrte er erst am 23. Juli 1920 nach Kassel zurück. Offenbar hatte ihn der Kommunismus beeindruckt, denn seit 1917 war er als bolschewistischer Lebensmittelkommissar tätig gewesen. Er setzte 1920 das Studium der Rechtswissenschaft in Jena fort, das er 1921 mit dem ersten Staatsexamen und der Promotion abschloss. Das 2. Staatsexamen (Assessorexamen) folgte im Oktober 1923. Danach war er kurzzeitig Rechtsanwalt in Karlsbad, ehe er im Februar 1924 zusammen mit seinem Bruder Oswald eine Rechtsanwaltskanzlei am Königsplatz 55 in Kassel gründete. Beide gehörten zu den führenden Antisemiten in Kassel.
Roland Freisler wurde bereits 1924 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Kassel (was er bis 1933 blieb) und Mitglied des Provinziallandtags (für Hessen-Nassau) für den nationalsozialistischen Völkisch-Sozialen Block in Kassel. Über diese Schiene wechselte Freisler am 9. Juli 1925 zu der von Hitler neu gegründeten NSDAP (Parteimitgliedsnummer 9679). Am 24. März 1928 heiratete er die am 10. Februar 1910 in Hamburg geborene Marion Russegger, mit der er die Söhne Harald und Roland zeugte. Am 1. Juli 1930 wurde Roland Freisler wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch und Aufforderung zum Ungehorsam in das Polizeigefängnis von Kassel eingeliefert. Er wohnte jetzt an der Hinzpeterstraße 8.
Dr. Roland Freisler war ab 1930 für die NSDAP Mitglied im [61.] Kommunallandtag [1930] des Regierungsbezirks Kassel und blieb dies auch in den folgenden Kommunallandtagen bis zu dessen Auflösung im Jahr 1933. 1932 wurde Freisler Mitglied des Preußischen Landtages, gemeinsam mit seinem Bruder präsentierte er sich als Vertreter der „NSDAP-Gruppe des Preußischen Landtages“. Unter Führung von Roland Freisler, Karl Weinrich, Gauleiter des NSDAP-Gaus Kurhessen, und anderer Naziführer veranstalteten die Kasseler SA und SS (auch Hitlerjugend war dabei) am 6. und 7. März 1933 mit großem Aufwand demonstrative Aktionen des Flaggenhissens an zahlreichen Behörden. Dann setzten so genannte „Säuberungen“ in einzelnen Ämtern und Behörden ein.
Am 1. Juni 1933 wurde Freisler zum Staatssekretär im Preußischen Justizministerium ernannt. Staatssekretär, seit Mai 1935 im Reichsministerium der Justiz, war Freisler bis 1941. [Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1997, S. 569] Sein schwer zuckerkranker Bruder Oswald starb zwischenzeitlich am 4. März 1939 eines unnatürlichen Todes. Freislers Söhne, Harald, geboren am 1. November 1937, und Roland, geboren am 12. Oktober 1939, wurden laut den beiden der Personalakte Freisler beigefügten Taufzeugnissen in Berlin getauft.
Vom 20. August 1942 bis 1945 war Roland Freisler schließlich Präsident des Volksgerichtshofs in Berlin, des höchsten Gerichts des NS-Staates für politische Strafsachen. Er führte Schauprozesse gegen vermeintliche Hochverräter mit Beschimpfungen und Demütigungen der Angeklagten.
Zwischen 1942 und 1945 wurden mehr als 5000 Todesurteile gefällt, davon etwa 2600 durch den von Freisler geführten Ersten Senat des Gerichts. Damit war allein Freisler in den drei Jahren seines Wirkens am Volksgerichtshof für ebenso viele Todesurteile verantwortlich wie alle anderen Senate des Gerichts zusammengenommen in der gesamten Zeit des Bestehens des Gerichts von 1934 bis 1945. [Quelle: Wikipedia – die freie Enzyklopädie]
Roland Freisler starb am 3. Februar 1945 bei einem schweren Bombenangriff der Alliierten auf Berlin, bei dem insgesamt über 20000 Menschen ihr Leben verloren haben. Freisler wurde auf dem Weg zum Luftschutzkeller des Volksgerichtshofs tödlich verwundet.
In seinem Testament vom 1. Oktober 1944 hatte Freisler verfügt: „Die beiden Häuser Hüttenweg 14a und Habelschwerdter Allee 9 gehören meiner Frau. Sie zählen also nicht zu meinem Nachlaß.“ Roland Freisler wurde beerdigt auf dem Waldfriedhof am Hüttenweg in Dahlem (Berlin), wo er heute anonym im Grab der Schwiegereltern ruht. Seine Ehefrau Marion nahm später wieder ihren Mädchennamen an und lebte zuletzt in München. Sie starb am 21. Januar 1997 und wurde neben ihrem Mann beerdigt.
Quellen:
Bundesarchiv Berlin R 3001, Personalakten des Reichsjustizministeriums: Personalakte Freisler
Personalunterlagen im Document Center Berlin
Literatur:
Gert Buchheit: Richter in roter Robe – Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes, München 1968.
Heinz Hillermeier: Im Namen des Deutschen Volkes – Todesurteile des Volksgerichtshofes, Darmstadt 1980.
Hannsjoachim W. Koch: Volksgerichtshof – Politische Justiz im Dritten Reich, München 1988.
Ingo Müller: Furchtbare Juristen – Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, München 1987.
Helmut Ortner: Der Hinrichter – Roland Freisler, Mörder im Dienste Hitlers, Göttingen 1995.
Kirsten Schulz: Roland Freisler – Präsident des Volksgerichtshofs, Bundeszentrale für politische Bildung, 20. April 2005.
Uwe Wesel: Drei Todesurteile pro Tag, in: Die Zeit vom 3. Februar 2005.