Sportverein SV Großmoor hieß anfangs „SV Adelia “ / Gründungsprotokoll liegt nicht mehr vor
Getragen von hohem Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl haben engagierte Bürger Anfang der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine wichtige Aufgabe für ihre Gemeinde und für ihre Mitmenschen übernommen und in ihren Dörfern Turn- und Sportvereine gegründet.
Von Matthias Blazek
Das Gründungsdatum des Sportvereins SV Großmoor ist aufgrund der nicht vorhandenen Gründungsurkunde, die vermutlich in den Kriegs- und Nachkriegswirren verlorengegangen ist, nicht mehr ganz genau nachzuvollziehen. Die Gründung des Vereins erfolgte im Jahre 1921 im Gasthaus „Zur Tanne“, bei Gottlieb Soeder in Adelheidsdorf, unter dem Namen „S.-V. Adelia“ und unter dem Vorsitz von Paul Maertsch.*
In einem Pressebericht zum 10-jährigen Bestehen des Sportvereins wurde angemerkt: „Nachdem im Jahre 1920 die Siedlung im Müggenburger Moor ins Leben gerufen war, konnte von der Jugend in Adelheidsdorf und Jägerheide (jetzt Großmoor) im Jahre 1921 der Sportverein gegründet werden.“
Die Gründungsmitglieder waren größtenteils ehemalige Mitglieder des Jägerregiments Freikorps Kühme. Als solche gelten: Karl Börgemann, Paul Maertsch, Gustav Peuckert, Friedrich Cantus, Johannes Neuendorff, Paul Günther, Ludwig Panitz, Felix Peukert, Friedrich Bürkel, Reinhold Funke, Theodor Knie, Gustav List, Ernst Kursawe, Herbert Kirsch, Wilhelm Kotschedoff, Richard Teubert, Friedrich Severitt, Hermann Lorenz und Adolf Ebel.
Mehrere dieser Männer zogen, wie sich jetzt herausgestellt hat, erst in den Jahren 1921-23 zu, nämlich Richard Teubert (22.11.1921 aus Ramlingen), Adolf Ebel (1921), Karl Börgemann (04.07.1922 aus Abelitzmoor), Gustav List (11.04.1923 aus Ramlingen) und Friedrich Bürkel (31.05.1923 aus Ramlingen). Im Übrigen könnte man in der Liste der Gründungsmitglieder die Namen von „alteingesessenen“ Mitspielern aus dem Nachbardorf Adelheidsdorf vermissen.
Der Name ist vermutlich so gewählt worden, da man unter den Reihen der Neusiedler zunächst von einer Zuteilung des Siedlungsgebietes Jägerheide (Preußische Siedlung) zu Adelheidsdorf ausgegangen war. Dann wäre der SV Adelia in der Tat der Adelheidsdorfer Sportverein gewesen. Schulisch war der Bereich von jeher Adelheidsdorf zugeteilt. So bestand in den Jahren 1908-1924 der Gesamtschulverband Adelheidsdorf-Großes Moor.
Der Verein startete zuallererst mit der Sparte Fußball. Gespielt wurde in roten Hosen und weißen Hemden, die Vereinsfarben des SV Adelia. In der „Celleschen Zeitung“ vom 10. Juni 1921 finden wir angekündigt das „Große Stiftungsfest des S.-V. Adelia“ am 12. Juni 1921 im Gasthaus „Zum Tannenbaum“ in Adelheidsdorf. Um 16 Uhr stand ein Fußball-Gesellschaftsspiel mit Tanzmusik auf dem Programm, um 18 Uhr Ball. Die Berichterstattung über dieses Fest blieb aus.
Man lockte kurz darauf mit einem „Propaganda-Fußballspiel“ und einem Sommerfest. Die Cellesche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 29. Juli 1921:
Sport. Norddeutscher Fußball-Verband Hannover (Unterbezirk Celle). Am Sonntag, dem 31. Juli 1921 werden in Engensen (Kr. Burgdorf) auf dem Spielplatz daselbst und in Adelheidsdorf auf dem Spielplatz des „S.-V. Adelia“ Fußballwerbespiele ausgetragen. Beginn der Spiele nachmittags 2½ Uhr. Die Spiele werden von Mannschaften erster Vereine des Bezirks Hannover ausgetragen und es wird jedem Sportsfreund somit Gelegenheit geboten, sich ein bis in seine Einzelheiten musterhaft durchgeführtes Propaganda=Fußballwettspiel anzusehen. Das Spiel in Adelheidsdorf wird mit Musikbegleitung ausgetragen und sollten Freunde und Gönner unseres populären Sports nicht versäumen, diesen Ausflug nach Adelheidsdorf zu unternehmen. Im Anschluß an das Wettspiel feiert der „Sport=Verein Adelia“ sein diesjähriges Sommerfest, verbunden mit Ball und sind die beiden hiesigen Sportvereine hierzu herzlichst eingeladen.
Das „Burgdorfer Kreisblatt“ berichtete in seiner Ausgabe vom 4. Oktober 1921 (Dienstag):
Fußball. Am Sonntag mittag 1 Uhr standen sich 1. Knaben Werder und 1. Knaben Viktoria im Freundschaftsspiel gegenüber. Die körperlich stärkere Werderelf – es spielten gewiß einige Jugendspieler – war den Knaben Viktorias überlegen und entschieden den Kampf für sich mit 5:0. Im Anschluß hieran fand das Spiel Adelia 1 Adelheidsdorf gegen „Alte Herren“ Viktoria statt. Beide Mannschaften gaben sich die größte Mühe. Schließlich unterlag Adelia doch der größeren Spielerfahrung der „Alten Herren“ und mußte sich 2:0 beugen. Um ¾4 Uhr betraten 1. Werder und 1. Viktoria den Platz. (…)
Am Sonntag, dem 9. Oktober 1921, fanden Punktspiele auf dem Sportplatz „Waldschlösschen“ in Celle und auf dem städtischen Platz „Alter Kanal“ in Wietzenbruch sowie in Adelheidsdorf und in Nienburg statt. Die Cellesche Zeitung kündigte Spiele an, in denen sich Viktoria Burgdorf, Lehrter Sportverein von 1906, Ballspielverein Werder Hannover, Sportklub Nienburg, Sportvereinigung Eintracht von 1919, Sportvereinigung von 1910 Celle und die 1. Jugend des SV Adelia behaupten sollten. Da Adelia aber nicht antrat, konnte sein Gegner, die 3. Jugend der Sportvereinigung von 1910, die Punkte kampflos mit nach Celle bringen.
Die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse der neuen Siedlung im Großen Moor waren noch gar nicht geregelt, als der Spielbetrieb des Sportvereins aufgenommen wurde. In den Jahren 1921 und 1922 setzten Verhandlungen über die Regelung der öffentlichen, insbesondere auch der kirchlichen Verhältnisse zwecks Erteilung der Koloniegenehmigung ein. Als Siedlungsunternehmer kam für den domänenfiskalischen Gutsbezirk Groß-Moor und die auf ihm entstandene Siedlung Jägerheide der Domänenfiskus in Betracht, im Übrigen die Hannoversche Siedlungsgesellschaft.
Ein weiteres Indiz dafür, dass das Vereinsleben unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) sehr rege gewesen sein muss, ist die Durchführung eines Pokalturniers im Jahre 1923 auf dem Sportplatz in der Eilenriede in Hannover. Der SV Adelia bezwang Wacker Hannover mit 4:0 Toren und konnte erstmalig Fußball-Pokalsieger werden.
Die erste Herrenmannschaft des SV Adelia war also zu Gast bei Wacker 04. Stolz präsentierte man sich dem Fotographen. Das Foto zeigt im Hintergrund und im Anzug die Herren Johannes Neuendorff und Karl Börgemann, davor von links nach rechts Heinrich Domeyer, Karl Kroll, Willi Severitt, Paul Maertsch, Ernst Homberg, Albert Höfermann, Karl Rode, Siegmund Seligmann, Heinrich Köhler und Fritz Domeyer und vorne, sitzend, Gustav Elvers, Otto Schulz, Torwart Fritz Severitt, Karl Schulz und Karl Höfermann. Beim Spiel Sport-Club Hannover gegen den SV Adelia wurde das Jersey vom SV Adelia ersetzt durch das blauweißgestreifte von Wacker Hannover, da beide Mannschaften weiße Jerseys trugen.
Schwer fiel es dem SV Adelia in den ersten Jahren, einen ordnungsgemäßen Platz, der den Vorschriften des Norddeutschen Fußballverbandes entsprach, zu erhalten. Die ersten Spiele des SV Adelia fanden auf einem provisorisch angelegten Spielfeld statt, wo später (1973-75) die Hengstprüfungsanstalt in Adelheidsdorf errichtet wurde. Die Genehmigung für die Nutzung dieser Ländereien war von der Gestütsverwaltung ausgesprochen worden. Die Gemeinde Adelheidsdorf konnte dem Verein keinen Platz zur Verfügung stellen; auch fehlte das Interesse zur Unterstützung des Vereins in Adelheidsdorf ganz. Die Jungen mussten sich selbst helfen, soweit sie konnten.
Mit fortschreitender Zeit wurden die Spielflächen noch mehrmals gewechselt. In der Zeit der Inflation herrschten große Armut und Hungersnot vor. Viele Personen und Familien zogen fort. Der Spielbetrieb musste erstmalig für kurze Zeit eingestellt werden, da nur noch wenige aktive Fußballer zur Verfügung standen. Sehr oft war es in den ersten Jahren des Bestehens nicht leicht, den Verein in seinem Bestehen zu erhalten. Die ländlichen Vereine hatten meistens nur die eine vollständige Mannschaft. Und beim Wegzug eines oder mehrerer Spieler wurde immer eine empfindliche Lücke gerissen. Erst im Jahre 1924 fand der Verein wieder zusammen.
Foto: Die Fußballmannschaft des SV Adelia im Jahre 1923. Repro: Blazek
oben: Cellesche Zeitung vom 10. Juni 1921
- Nach mündlichen Überlieferungen sei die Gründung des Vereins bereits 1920 erfolgt. Auch Schulleiter Heinrich Roes vertrat in seinen Ausführungen in der Chronik der Schule zu Müggenburger Moor 1923-1972 diese Ansicht. Fakt ist aber, dass fünf der überlieferten Gründungsmitglieder 1920 noch nicht ortsansässig waren. Und selbst das Adressen-Verzeichnis der Orte der N.F.V.-Vereine für das Jahr 1924 nennt unter Adelheidsdorf: „S. V. Adelia von 1921, K. VI, G. Hannover, B. Celle. P. Maertsch, Jägerheide bei Celle.“ Paul Maertsch, * Breslau 02.10.1901, war am 1. Juli 1920 als lediger Kontorist aus Eilenburg (bei Leipzig) nach der „Gemeinde Müggenburg“ gekommen. Er übte später ehrenamtlich die Funktion des Registrators der Gemeinde Großmoor aus. Und: Das zehnjährige Bestehen des Sportvereins wurde im Juli 1931 gefeiert, wie die Cellesche Zeitung am 25. Juli 1931 vermeldete.