Gedenkstein erinnert an die Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen

Die letzte Hinrichtung an der ehemaligen Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen wurde am 27. Februar 1829 vollzogen. Aufschluss gibt die Gerichtsakte zu dem Mordfall Hornbostel. Dort ist das umfassende Gutachten der Justizkanzlei in Celle gleich vorgeschaltet:

Von Matthias Blazek

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster
König,
Allergnädigster König und
Herr!

Galgenberg bei Ohof

Grausig – am Weg von Seershausen nach Ohof, im Wald, etwa einen Kilometer von Seershausen entfernt an der westlichen Seite, befindet sich dieser tonnenschwere Findling mit der Inschrift „Hinrichtungsstätte des ehemaligen Amtes Meinersen, letzte Hinrichtung am 27. 2. 1829“. Er wurde am 7. September 1984 dort aufgestellt, um auf die ehemalige Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen hinzuweisen. Im Bereich dieses Steins wurden im Laufe der Jahrhunderte viele Verbrecher hingerichtet. Foto: Blazek

Gegenwärtiger, allerunterthänigster, Vortrag betrifft den, wegen Mordes bei dem Amte Meinersen in Untersuchung befindlichen Johann Hennig Wrede aus Eltze. Die stattgehabte Untersuchung hat am 18ten Junius v. J. ihren Anfang genommen, seit welchem Tage sich Inquisit in Haft befindet. Am 6ten August gingen die Acten allhie ein, welche am 29sten desselben Monats, nach Beendigung einiger, eine nachträgliche Instruction bezielender, Schritte, dem erwählten Vertheidiger zur Einsicht vorgelegt sind. Auf Antrag dieses wurde unter dem 8ten September ein Ärztliches Ober-Gutachten von verschiedenen, bei der Chirurgischen Schule zu Hannover angestellten, Ärzten erfordert, welches am 26ten October einging. Anderweit sind sodann am 6ten November die Untersuchungs-Acten dem Vertheidiger ad inspieciendum verstattet und ist von ihm unter dem 14ten Januar a. c. die Defension exhibirt. Ein, gegenwärtig annoch erforderlich erachtetes, mittelst Schreiben vom 19ten Januar erbetenes, Gutachten der Medicinischen Facultät zu Göttingen ging am 11ten April ein, worauf Defensor, nach genommener Einsicht desselben, am 23ten April unter Bezugnahme auf die bereits eingereichte Defension, zum Erkenntnisse submittirt hat.

I. Persönliche Verhältnisse und früherer
Lebens-Wandel des Inquisiten.

Johann Hennig Wrede, auch Schäfer, von einem Beinamen der Stelle, aus welcher er gebürtig ist, genannt, der eheliche Sohn rechtschaffner, jetzt verstorbener Aeltern, von denen der Vater als Brinksitzer und Rademacher zu Eltze, Ambts Meinersen, wohnte, ist alldort am 25sten July 1797 gebohren. Hinsichtlich seiner Erziehung ist von den Aeltern nichts verabsäumt, er vielmehr zum fleißigen Besuche der Schule angehalten worden. Demunerachtet soll er, natürlicher Unfähigkeit halber, wie es in dem Pastoral-Atteste lautet, in allen Theilen des Jugend-Unterrichtes gegen seine Mit-Schüler zurückgeblieben seyn. Nach seiner Confirmation ist er noch einige Jahre im väterlichen Hause verblieben, hat sodann bei den Hauswirthen Thies in Hassede und Wiedenroth in Höven, respective 2 und 1 Jahr gedient, nächstdem bei seinem Vater das Rademacher-Handwerk erlernt, worauf er in Militair-Dienst getreten ist und 6 Jahre, theils in dem vormaligen Garde-Bataillon, theils im Garde-Grenadier-Regimente, gedient hat. Die ihm von seinen vormaligen Militair-Vorgesetzten, so wie auch die, von seinen gewesenen Dienstherrn, ihm ertheilten Zeugnisse lauten vortheilhaft.

Nach seiner Entlassung aus Militair-Diensten ist Inquisit nach seinem Geburts-Orte zurückgekehrt und hat sich seitdem hier bey seinem älteren Bruder, der nach des Vaters Tode die Stelle angenommen, aufgehalten. Diesem ist er, so wie ein dritter jüngerer Bruder, bei dessen Rademacher-Profession behülflich gewesen und hat hierdurch, so wie durch Bretter-Schneiden, sein reichliches Auskommen gefunden.

Inquisit ist unverheirathet.

Seine Vermögensverhältnisse …

II. Untersuchung
A. Veranlassung und Anfang derselben

In der Nacht vom 17ten auf den 18ten Junius ließ der Doctor med: Bärner zu Meinersen dem dortigen Amte anzeigen, wie er im Begriffe stehe, nach Eltze sich zu begeben, wo einer Dienst-Magd der Hals abgeschnitten sey. Auf diese Meldung verfügte sich sofort der Amtmann Niemeyer nach Eltze, allwo er um 3 Uhr Morgens eintraf und in dem, vor dem Dorfe belegenen, Havekostschen Anbauer-Hause die Verwundete, die bei dem Hauswirth Gerlhof zu Eltze in Dienst stehende Magd Hornbostel, und bei ihr den Dr: Bärner vorfand. Dieser erklärte den Zustand jener für sehr gefährlich und eine Befragung derselben, ehe nicht die durchgeschnittene Luftröhre zusammen geheftet seyn werde, für unthunlich. Nach angelegtem Verbande ließ indessen der Arzt den, einstweilen mit andern Maaßregeln beschäftigten Beamten, benachrichtigen, wie man jetzt die Verwundete befragen könne und solches schleunigst thun möge, da sie, leise zu flüstern, im Stande, und bey völliger Besinnung sey. Es erfolgte nunmehr eine Vernehmung derselben über 19 Fragen. Die hierauf ertheilten, größtentheils augenscheinlich mit den eigenen Worten der Verwundeten niedergeschriebenen, Antworten, bestehen, wie dies des weiter unten folgen werdenden zu bemerken ist, in 11 Worten.

Die Verwundete nannte zuvörderst den Inquisiten als denjenigen, welcher ihr die Wunden verursacht habe und Scheelen-Wiese als den Ort, wo die That geschehen sey. Auf die Frage, ob Inquisit am gestrigen Abend vor das Haus gekommen sey? versetzte sie: er rief, wollte mir etwas sagen; ehegestern und auf die Frage: ob er schon früher versucht mit ihr allein zu seyn? ja; ehegestern Abend mich schon angerufen am Fenster. – Auf der Wiese habe er sie gefragt, ob sie seine Braut seyn wolle? was sie verneint. – Die Frage: ob Inquisit sie nothzüchtigen gewollt? beantwortet sie dahin: ja, er faßte mich mit einer Hand um, gab mir einen Kuß und schnitt. – Sie habe vorher, sagte sie weiter aus, nie mit dem Inquisiten den Beischlaf vollzogen, auch mit sonst Niemanden in Unehren zu thun gehabt. – Es sey gleich 11 Uhr gewesen, als die That geschehen.

Nach der 16ten Frage heißt es im Protocolle:

Die Menge der Umstehenden in der kleinen Stube, die Angst, Fieberhitze, Schmerzen und Anstrengung, welche die Antworten hervorbrachten, ließen für jetzt keine weitere Fragen zu, zumahl jede Anstrengung dieser Art schädlich für das Zusammenheften war; man mußte daher für erst abbrechen.

Nach Verlauf einer Stunde geschahen noch drei Fragen an die Verwundete, deren Beantwortung schon oben mit angeführt ist.

Hierauf gerieth, lautet es im Protocolle weiter, die Verwundete in einen Husten und mußte man weitere Fragen aussetzen. Der Doctor wendete augenblicklich einen Aderlaß an, worauf Ohnmacht, oder ähnlicher Zustand, sich einstellte.

Wir erlauben uns hier kurz dasjenige zusammenzustellen, was über das Ergehen und Verhalten der Hornbostel nach zugefügter Verwundung ist ermittelt worden.

Die bei der vorerwähnten Anwesenheit des Amtmanns Niemeyer zu Eltze sofort vernommene Wittwe Wiese, eine Mitbewohnerin des Havekostschen Anbauer-Hauses, deponirte:

(…)

Der Tod der Hornbostel ist nach Aussage der Wittwe Wiese am Morgen nach der That gegen 8 Uhr erfolgt. Die Meldung davon ist dem, damals bereits nach Meinersen zurückgekehrten Amtmann Niemeyer Mittags 12 Uhr desselben Tages geworden, wie denn auch der bereits erwähnte Kranken-Bericht des Drs. Bärner damit schließt, wie er, gleich nach seiner Rückkunft nach Meinersen erfahren habe, wie die Verwundete gegen 8 Uhr Morgens verstorben sey.

(…)

D. Untersuchung der Frage: welches Verbrechen hier vorliege? welche Strafe auf dasselbe im Allgemeinen geordnet und im vorliegenden Falle zu erkennen sey.

Bereits oben ist nachgewiesen, daß der Thatbestand einer Tödtung rechtlich constatirt, so wie ferner, daß Inquisit Urheber derselben, endlich daß sie von ihm absichtlich und zwar dolo praemeditato verübt sey. Demnach ist von demselben laut Bestimmung des Art: 137. C.C.C. ein Mord begangen.

(…)

Wir sind demnach der rechtlichen Meinung:

daß der Inquisit Johann Hennig Wrede aus Eltze, weil er überführt und geständig, die Dienst-Magd Hornbostel mit vorgefaßter Absicht um das Leben gebracht und sich solchergestalt eines Mordes an dieser schuldig gemacht zu haben, sich selbst zur Strafe, Andern aber zum Schrecken und Abscheu, mittelst Zerschmetterung seiner Gebeine durch eiserne Keulen von oben herab vom Leben zum Tode zu richten und sein entseelter Körper auf das Rad zu flechten sey.

Das diesem gemäß abgefaßte, im Concepte allerunterthänigst beigeschlossene, Straf-Erkenntnis überreichen Euer Königlichen Majestät wir zu Allerhöchst dero Bestätigung.

Wenn indessen qualificirte Todes-Strafen in neuern Zeiten nicht mehr vollstreckt worden, sie auch, dem Vernehmen nach, durch die bevorstehende neue Criminal-Gesetz-Gebung werden abgeschafft werden, so erlauben wir uns den tiefunterthänigsten Antrag, die verwirkte gesetzliche Strafe in die der Enthauptung allergnädigst verwandeln zu wollen und ersterben in tiefster Unterwürfigkeit.

Euer Königlichen Majestät

allerunterthänigste, treugehorsamste, pflichtschuldigste

Reinbold vBothmer vReiche
vLenthe LvSchlepegrell

(227 Seiten)/Zelle, den 11. July 1828

Festgestellt wurde an anderer Stelle durch einen „ausgezeichneten Lehrer der Arzneikunde“, „daß die Hornbostel wahrscheinlich geheilt seyn würde, wenn ihr eine bessere diätische und chirurgische Behandlung zu Theil geworden wäre, und daß auf ähnliche Weise verletzte Personen, unter weit ungünstigeren Umständen, wirklich geheilt worden sind“.

Was letztendlich als Grund für die Tat, die zur letzten Hinrichtung an der ehemaligen Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen führen sollte, eine besondere Rolle spielte, wird aus einem Hinweis im Eltzer Kirchenbuch deutlich:

Hornbostel, Henriette, Elisabeth aus Wiedenrode, 20 Jahre alt, den 17. Junius. Sie starb meuchelmörderischer Weise. Der 2te Sohn des verstorbenen Wrede olim Schäfer, rief das Mädchen 10 1/2 Uhr abends aus Gerlofs Hause wo es diente, ging mit ihm auf Scheelen Wiese – sprach mit ihr über künftiges Heiraten band ihr wahrscheinlich unter vorgeblichen Spaß, die Perlen aus, gab ihr einen Kuß, bei welcher Gelegenheit er ihr den Kopf überbog und den Hals mit einem Schermesser abschnitt. Er hatte ihr aber nur die Luftgurgel abgeschnitten und die anderen verletzt. Er glaubt, daß sie tod sei und geht weg. Das Mädchen erholt sich wieder, kriecht bis nach Havkosts Hause auf dem Kaninchenberge, von der Wiese ab gleich hinter diesem Hause, um 1 1/2 Uhr kommt sie an. Weil das Mädchen nicht sprechen kann, schreibt es den Mörder auf. 9 Stunden später starb es. Es wurde seciert und war seit 4 Monaten schwanger. Der Mörder sitzt in Ketten zu Meinersen, hat alles bekannt und wird gerichtet werden. Er heißt Joh. Hennig Wrede olim Schäfer. Die Ursache war ein anderes Mädchen, was er lieber hatte, heiraten zu können, als mit der er sich versprochen hatte.

Wenn ich über den Menschen ein Zeugnis ausstellen soll, so kann ich dies, bis auf die Tat, nur gut sein und jeder aus der Gemeinde kann nur dasselbe sagen. Er war ein guter Arbeiter, den jeder gern in Arbeit haben mogte.

Am 28. August 1828 wurde die landesherrliche Genehmigung zu der Erkenntnis der Justizkanzlei in Celle erteilt, wonach Johann Hennig Wrede wegen vorsätzlichen Mordes mittelst Zerschmetterung seiner Gebeine mit eisernen Keulen von oben herab vom Leben zum Tod gebracht und sein Körper auf das Rad geflochten werden sollte. „Jedoch haben Wir Uns in Gnaden bewogen gefunden, diese erkannte Strafe aus landesherrlicher Gewalt in die einfache Strafe der Enthauptung zu verwandeln.“

Der zum Tode verurteilte Johann Hennig Wrede richtete ein Gesuch um Begnadigung an Seine Königliche Majestät. Ohne Erfolg. Von Schloss Windsor verlautete unter dem 16. Januar 1829:

Georg der Vierte von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Groß-Britannien und Irland p. auch König von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg p.

Unsere Freundschaft und was Wir mehr Liebes und Gutes vermögen, auch wohlgeneigten und gnädigsten Willen zuvor, Durchlauchtigster Fürst, freundlich geliebter Bruder, Wohlgebohrne, Edleveste, Räthe und liebe Getreue! Wir haben erhalten und erwogen, was unterm 23ten Dec. v. J. in Beziehung auf das Begnadigungs-Gesuch des zum Tode verurtheilten Johann Henning Wrede aus Eltze, Amts Meinersen eingesandt und berichtet worden. Wir haben Uns indessen nicht bewogen finden können, dem Begnadigungs-Antrage Statt zu geben. Unser Ministerium wird diesem gemäß die weitern Verfügungen treffen. Wir verbleiben Ew. Liebden und euch mit freundbrüderlicher Zuneigung, auch wohlgeneigtem und gnädigstem Willen stets beigethan.

Zellescher Anzeiger vom 25. März 1829. Repro: Blazek

Zellescher Anzeiger vom 25. März 1829. Repro: Blazek

Der Mörder wurde am 27. Februar 1829 durch den Nachrichter Joseph Voß aus Celle durch Enthauptung hingerichtet, der Körper des Toten im Bereich der Hinrichtungsstätte vergraben.

Die Einsichtnahme in die Akte (Nds. HptStA Hann. 26a Nr. 7289) ist bis dato laut Benutzerblatt durch Gisela Wilbertz, Osnabrück (09.10.1974), Krause, Göttingen (28.07.1986), Kuhne, Ronnenberg (31.08.1992), und Matthias Blazek, Adelheidsdorf (09.02.2006), erfolgt.

 

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