Eine Giftmischerin und ihre Dienstmagd mussten wegen begangenen Giftmordes büßen

Den Hinweis auf die letzte Hinrichtung durch Ertränken im Königreich Hannover verdanken wir dem Meinerser Amtmann Otto Carl Niemeyer. Nach seinen Ausführungen handelte es sich bei den Ertränkten um eine Giftmischerin namens Maria Dorothea Heuern (Hoyers) aus Alvesse, die 1765 ihren Mann vorsätzlich umgebracht haben soll. Zugleich mit ihr wurde ihre Dienstmagd, Anna Ilse Gieselern, wegen Beihilfe schuldig gesprochen.

Von Matthias Blazek

Die Justizkanzlei in Celle erkannte jedenfalls auf diese Tat die Todesstrafe durch Ersäufen in fließendem Wasser. Frauen, die des Kindesmords schuldig waren, wurden im Amt Meinersen in der Regel – in einen Häckselsack gesteckt – in der Oker ertränkt.

Das Urteil wurde von der Regierung in Hannover bestätigt und am 12. Juni 1765 vollstreckt. Nach gehaltenem peinlichen Halsgericht wurden die beiden verurteilten Frauen zunächst vier- beziehungsweise zweimal mit glühenden Zangen angefasst, wie es die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina) von 1532 vorsah: „So wurde im Jahre 1765 hieselbst eine Frau, die mit Hülfe ihrer Dienstmagd ihren Ehemann vergiftet hatte, mit vier glühenden Zangengriffen, und die zwanzigjährige Magd mit zwey solchen erst gezwickt, worauf beide in einen dann zugebundenen Sack gestopft, und zur Oker zum Ersaufen geschleppt wurden. Eine Todesart, die ehemals oft hier zur Anwendung gebracht, nachher aber, wenigstens hier, ganz außer Gebrauch gekommen ist.“

Die Juristische Zeitung für das Königreich Hannover hat sich in ihrer Ausgabe vom 15. Januar 1827 dieses Falles gewidmet. Ein Glücksfall, da nahezu alle alten Meinerser Kriminalfälle infolge Kriegseinwirkung im Hauptstaatsarchiv in Hannover vernichtet worden sind.

Über die, zuletzt bei Königlichem Amte zu
Meinersen angewandte, Strafe des Ersäufens.

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(Vom Herrn Hofrath von Horn in Münden.)
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Man hat die Bemerkung gemacht, daß sich der menschliche Verstand nirgends sinnreicher und geschäftiger zeigte; als in Erfindung von Mitteln, um wirkliche oder angebliche Verbrecher, wie Hexen, Zauberer etc., zum Geständniß zu bringen und sie hinzurichten. Und in der That bestätigt die Geschichte der Völker durchgängig diese Bemerkung; erst der milde Geist, welcher im Gefolge der Ausbildung des Christenthums im Volksleben herrschend wurde, vertilgte allmählig die Rohheit eines frühern Zeitalters und die Lust an schauderhafter Behandlung der Missethäter. Waren doch die Torturwerkzeuge, deren man sich noch im laufenden Jahrhunderte bediente, so zahlreich, daß man sie systematisch in vier Classen eintheilte, nach den vier Elementen, in Feuer-, Wasser-, Luft- und Erd-Torturinstrumente. Bald wurde ein Angeklagter unter den Fußsohlen gebrannt und auf den Nägeln der Finger; bald ließ man ihn übermäßig Wasser trinken, legte ihn dann in einen hölzernen Kasten, und schob diesen mit einem platten Deckel dergestalt zu, daß der aufgeschwellte Leib niedergedrückt wurde; bald verrenkte man seine Glieder, indem man ihn an einer Rolle in die Höhe winden, und dann plötzlich hinabschießen ließ; bald grub man den Angeklagten bis an den Kopf in die Erde, und ließ ihn lange ohne Nahrung schmachten. Alle Torturarten übertraf noch die mater dolorosa der ehemaligen Glaubensinquisition in Spanien. Es war dies ein Standbild der h. Maria, welches mit einer solchen Maschinerie versehen war, daß es den Angeklagten umarmte, ihn an sich drückte, und dann aus dem Innern hervorgehende Stifte in seinen Körper dringen ließ.

Zu den qualvollen Todesstrafen gehört insbesondere das Ersäufen, oder das Sacken, die Sackung, welches vormals sehr allgemein war. Es geschah überhaupt dadurch, daß der Verurtheilte in einen Sack genähet oder gebunden wurde, um damit in das Wasser geworfen zu werden. Aber in den ältern Zeiten war dieser Sack von Leder (daher das lat. culleus), oder Thierhäuten. Waren Thierhaare dazu genommen, so waren diese doch so dicht gewebt, daß das Wasser nicht leicht durchdringen konnte, und der Verurtheilte langsam ersticken mußte. Erst später wurden solche Säcke aus Leinewand oder Hanf gemacht, auch wohl Löcher darin gelassen, so daß der Unglückliche bald darin endigte.

Bekanntlich setzt der Artikel 124 der peinlichen Halsgerichtsordnung Carl’s V. die Strafe des Ersäufens auf das Verbrechen des Hochverrath’s weiblicher Personen, so wie er bei männlichen die Viertheilung ordnet. Dies veranlaßte mich in einem 1824 herausgegebenen Buche [Die Verschwörung gegen den Kurfürsten von Hessen-Cassel, nach ihrer Geschichte und Strafwürdigkeit dargestellt etc. Von Joh. von Horn. Ilmenau, 1824. Das Resultat der Untersuchung, welche jene Schrift einleitete, habe ich in folgender vorgetragen: Diplomatischer Bericht über die revolutionären Drohbriefe, welche bei dem Kurfürstlichen Hoflager zu Cassel eingegangen; nebst einem Blick in das dortige Castell u. s. w. Zerbst, 1826. 8.] Seite 149 etwas über das Sacken anzuführen, wobei ich S. 150 in einer Anmerkung, unter dem Texte, Folgendes sagte: „In Deutschland ist die Strafe des Sackens, seit der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, ganz abgekommen. Im Hannöverischen wurde 1777 eine Frau, welche ihren Mann heimlich und vorsätzlich vergiftet hatte, im Amte Meinersen zuerst mit glühenden Zangen zerrissen, und dann in die Oker ersäuft. Dies ist vielleicht das letzte Beispiel des Sackens; wenigstens sind dem Verfasser spätere Beispiele nicht bekannt.“

Okerpartie um 1820

Okerpartie um 1820

Okerpartie in Meinersen auf einer Postkarte um 1920. Repro: Blazek

Seitdem las ich die, im J. 1824 zu Lüneburg bei Herold und Wahlstab erschienene, Schrift des Amtmanns Niemeyer zu Meinersen, welche den Titel führt: „Über Criminalverbrechen, besonders in ältern Zeiten, aus den Criminalacten des K. Hannöverischen Amtes Meinersen.“ Sie gewährte mir in mehr als einer Hinsicht eine angenehme Lectüre, da sie nicht nur die Hannöverische Rechtsgeschichte bedeutend erläutert, sondern sich in ihr auch ein vortrefflicher, unpartheiischer, ausübender Richter erkennen läßt, und in der Ausführung des Ganzen sich eine höchst wohlthuende Gemüthlichkeit des Verfassers abspiegelt. Diese interessante Schrift ist nicht gerade, wie man etwas aus dem Titel schließen könnte, für Juristen geschrieben; sie kann von Jedem verstanden werden, und wird Jeden ansprechen. Mich veranlaßte sie, an den Amtmann Niemeyer zu schreiben, ihm vorzustellen, wie erwünscht es dem Publicum seyn würde, bald die angekündigte zweite Abtheilung seiner Schrift zu erhalten, und ihn zugleich um eine nähere Auskunft zu bitten über den Fall des Sackens, welchen ich in der vorhin ausgehobenen Anmerkung meines Buches berührt, der mir aber nach seinen besondern Umständen nicht bekannt war. Derselbe hatte darauf die Güte, mir unter dem 18. September 1826 zu erwiedern, es sey eine vorsätzliche Giftmischerin, Namens Heuer gewesen; gegen welche die K. Justizcanzelei zu Celle im Mai 1765, nicht 1777, die Strafe des Ersäufens, im fließenden Wasser, erkannt habe. Dies Erkenntniß sey sodann von der K. Landesregierung zu Hannover unter dem 6. Junius 1765 von dem Amte zu Meinersen vollzogen. Zugleich giebt mir derselbe Nachricht über die Art und Weise, wie das Urtheil vollzogen worden. Nämlich nach gehaltenem, peinlichen Halsgericht, wurde die Heuer, nebst ihrer Dienstmagd, an die Oker geführt, und erstere 4 Mal, letztere 2 Mal, mit glühenden Zangen angefaßt. Hiernächst wurde einer Jeden von ihnen ein langer Sack von Leinewand über den Kopf gezogen und unten zugebunden; so trugen beide die 4 anwesenden Henker auf eine im Wasser gemachte Vorrichtung. Diese Vorrichtung bestand in einem in das Wasser gerannten Brückenpfahl, auf welcher ein 8 Fuß langes, ziemlich breites Brett befestigt war, das sich wieder auf das Ufer lehnte. Von diesem Brett wurden die armen Sünderinnen, mit dem Kopf zuerst in das Wasser gesenkt, und vermöge eines hölzernen Instrumentes, in Form eines Harkenstiehls, auf den Grund gedrückt. Es leben im Amte Meinersen noch Personen, welche diese Hinrichtung mit angesehen haben. „Gegen 50 alte Leute – schreibt mir der gedachte Gelehrte – welche bei der Execution zugegen gewesen, haben mir die Procedur so erzählt, und dies trifft auch mit meinen anderweitig gesammelten Nachrichten überein. Die Ausführung des Urtheils war dies Mal so wie in frühern, ähnlichen Fällen. In 2 bis 2½ Minuten, gewöhnlich schon in einer halben Minute, jenachdem der Sack dicht oder loose ist, zeigt sich von unten auf eine starke Wasserblase auf der Wasserfläche oben, und dies ist das bestimmte Todeszeichen.“ Wurde also, wie im Amte Meinersen, die Strafe des Sackens mit Barmherzigkeit vollzogen, so war sie, wenn gleich schimpflicher, doch nicht qualvoller als die Strafe des Schwerdtes. Aus Versuchen, welche im J. 1803 junge Aerzte mit dem Kopfe des bei Berlin hingerichteten Troer anstellten, wollten sie schließen, daß nach mehreren Minuten, nachdem der Kopf durch das Schwerdt von dem übrigen Köprer getrennt worden, das Bewußtsein sich erhalten habe. Insbesondere wollten sie dies daraus schließen, daß die Augen des Hingerichteten sich nach der Seite gewandt, von welcher ihm sein Name zugerufen wurde. Indessen erschein damals eine Verordnung des Königs von Preußen, durch welche solche medicinische Versuche, welche den wohlthätigen Eindruck einer Hinrichtung auf das Gemüth der Zuschauer schwächten, und sie zu einem Gegenstande der Neugier machten, mit der Bemerkung untersagt wurden, daß aus der Hinwendung der Augen nach dem Orte des Rufens noch nicht folge, daß der Missethäter sein Bewußtseyn dabei gehabt, welches in der That auch deswegen nicht angenommen werden kann, weil der Schwerdtstreich, das Niederfallen des Kopfes, und das Zuströmen der Luft in die offenen Theile desselben, nothwendig eine Betäubung hervorbringen müssen. Eine ausführlichere Erzählung des Criminalprocesses des gedachten Troer findet sich in dem Archiv des verstorbenen Geh. Rath Klein, welcher, vor seiner Anstellung in Berlin, Professor der Rechtswissenschaft zu Halle war.

[Johann von Horn vertritt die Ansicht, mit der Todesstrafe durch Ersäufen oder Sacken habe man symbolisch anzeigen wollen, dass der Verbrecher nicht länger wert sei, von der Erde getragen und von der Sonne beschienen zu werden, Fortsetzung in Nummer 2 vom 15. Januar 1827:]

Die Todesstrafe der Ersäufung, oder des Sackens, hatte wohl ursprünglich diese Veranlassung, daß man dadurch symbolisch anzeigen wollte, der Verbrecher sey nicht weiter werth, von der Erde getragen, von der Sonne beschienen zu werden, folglich die verächtlichste und verabscheuungswürdigste Creatur der Erde. Unterdessen wurde diese Strafe bei den Römern nicht nur dadurch sehr hart, daß die Verurtheilten in einen Sack von Leder oder Thierhäuten geworfen wurden, so daß man sie nicht so wohl ersäufte, als langsam erstickte; sondern auch dadurch, daß man, wenigstens zuweilen, in den Sack zugleich mit dem Missethäter verschiedene Thiere einnähete, als Affen, Hühner, Hunde, Katzen, Ottern. Zunächst sollte dadurch auch wohl nur die Grausamkeit, Unnatürlichkeit und Abscheulichkeit des Verbrechens noch weiter symbolisch dargestellt werden; allein ganz gewiß mußte dadurch die Todesstunde auch noch weiter erschwert werden. Zwar erwähnen Cicero und Valerius Maximus dieser Thiere nicht; allein Stellen beim Seneca und Juvenal beweisen diesen Gebrauch. [Seneca de elem. I., 15. Juvenal Satyr. III., 8. 15.]

Sieht man auf den ersten Ursprung der Todesstrafe des Sackens, [Über den ersten Ursprung der Strafe des Ersäufens s. auch den Epitomator Livii Libr. 68. 4. U. c. 648. Dabey war der culeus in Gebrauch, unter den Imperatoren fing man an, Thiere mit einzunähen cf. Matth. de criminib. p. 528.] so wurde sie wahrscheinlich zuerst angewandt von dem römischen Könige Tarquin dem Stolzen, und zwar bei folgender Gelegenheit. Er wollte, wie Valerius Maximus [Valerius Maximus I., 2.] erzählt, einen gewissen M. Attilius exemplarisch dafür bestrafen, daß er die ihm anvertrauten Sibyllinischen Bücher, dem Königlichen Befehle nicht gemäß, und nicht sorgfältig genug verwahrt, sondern sie dem Petronius Sabinus zum Abschreiben gegeben hatte. Ausführlicher ist hierüber Dionysius von Halicarnaß im vierten Buche. Er sagt, Tarquin, der letzte römische König, habe zwei vornehme Männer aus den römischen Bürgern erwählt, diesen noch zwei Assistenten beigeordnet und ihnen die Sibyllinischen Bücher zur Verwahrung gegeben. Allein der eine von jenen beiden Bibliothekaren, Namens M. Attilius, habe seinem Berufe mit Treue nicht vorgestanden, und sey noch dazu von den Assistenten eines Vatermordes beschuldigt worden. Tarquin habe ihn daher in eine Ochsenhaut nähen, und in das Meer werfen lassen. In einigen Nebenpuncten weichen beide Geschichtsschreiber freilich von einander ab; allein so viel erhellt doch aus Beiden, daß Tarquin jene schimpfliche Todesstrafe zuerst habe anwenden lassen. Späterhin schränkten römische Gesetze diese Strafe hauptsächlich auf Vatermörder ein, wie man dies deutlich aus Cap. 25 der Rede Cicero’s für den Roscius, welcher des Vatermordes beschuldigt war, sehen kann. Dort sagt nämlich Cicero: „wie viel weiser als Solon, welcher über den Vatermord, als ein noch unbekanntes Verbrechen, kein Gesetz geben wollte, handelten unsere Vorfahren! Diese sahen ein, daß nichts so heilig und ehrwürdig sey, was Verwegenheit nicht einst entweihen könne. Sie erfanden also für den Vatermörder eine besondere, exemplarische Strafe, supplicium singulare, und um diejenigen, welche die Natur selbst nicht in den Schranken ihrer Pflicht zurückhalten könnte, durch die Größe der Strafe von dem Verbrechen abzuhalten, verordneten sie, solche Missethäter sollten lebendig in einen ledernen Sack eingenähet, und dann in einen Fluß gestürzt werden.“ L. Ostius war, nach Plutarch’s Erzählung, der Erste, welcher auf diese Art, wegen eines Vatermordes hingerichtet wurde, und nachmals, zu der Zeit, als Marius die Cimbren überwand, mußte, wie Dionys von Halicarnaß erzählt, P. Malleolus, welcher seine Mutter um das Leben gebracht hatte, auf gleiche Weise sein Vergehen büßen.

Bei den Griechen kommt die eigentliche Todesstrafe des Ersäufens der Verbrecher in fließendem Wasser nicht vor, wohl aber die des Versenkens der Missethäter in fließendes Wasser. Sie näheten diese nicht, wie andere Völker, in einen Sack, sondern steckten sie in ein Faß, und rollten sie darin in das Meer, wovon Athenäus im zehnten und vierzehnten Buche ausführlicher redet.

Ob auch bei den Hebräern die Strafe des Ersäufens üblich gewesen, ist eine streitige Frage. Nach dem Vorgange des Hieronymus haben es Einige behauptet, und sich auf Matth. XVIII., 6 berufen, wo Christus von dem Verführer der Unschuld sagt: „es wäre ihm besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt, und er im Meere ersäuft würde, wo es am tiefsten ist.“ Sie bemerken dabei, Christus rede in jener Stelle gemäß dem eingeführten Gebrauche, nach welchem die schwersten Verbrechen bei den Hebräern dadurch bestraft wären, daß dem Missethäter ein schwerer Stein an den Hals gehängt, und er dann in die Tiefe des Meeres versenkt sey. Allein Andere, und unter diesen Grotius und Lightfoot, sind gegen diese Meinung, und nehmen nur vier Todesstrafen: Steinigung, Verbrennung, Strangulirung und Kreuzigung, als gebräuchlich bei den Juden an. Christus habe nur überhaupt in jener Stelle den Gedanken ausdrücken wollen, der Verführer der Unschuld begehe ein großes Verbrechen, es sey einem solchen Menschen eher jedes andere Unglück zu wünschen. Das Beispiel von schrecklicher Todesstrafe habe Christus von den Syrern entlehnt, bei welchen sie in Gebrauch gewesen. Für einen Juden müsse es ohnstreitig eine sehr abschreckende Strafe seyn, wenn er durch sie zugleich des Begräbnisses im heiligen Lande beraubt werde. Auf jeden Fall sieht man so viel aus jener Stelle, daß die Todesstrafe der Ersäufung den Juden nicht unbekannt gewesen, wie sie denn auch, außer den Syrern, noch bei den Ägyptern und Phöniciern vorkommt.

In der Folge kam sie indessen, vorzüglich bei den Römern, ganz außer Gebrauch, und Vatermörder wurden entweder wilden Thieren vorgeworfen, um von diesen zerrissen zu werden, oder lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt, oder auch des Landes verwiesen, und ihre Güter, nach der lex Pompeji de parricidio, confiscirt. So blieb es bis zur Regierung des Kaisers Constantins des Großen, welcher jene Todesstrafe nicht nur bei den Vatermördern wieder in Anwendung zu bringen befahl, sondern sie auch auf Kindermörderinnen ausdehnte, und die Bestimmung beifügte, daß solche Missethäter vorher virgis sanguineis gezüchtigt werden sollten, worunter wahrscheinlich Ruthen zu verstehen sind, welche vorher in Blut getaucht waren.

Noch weiter wurde diese Todesstrafe im Mittelalter [Auch die alten Deutschen wandten bereits, wenn man dem Tacitus Glauben schenken darf, die Strafe des Ersäufens an. Sie war aber bey ihnen weniger grausam, weil die zu Ertränkenden nicht in fließendes Wasser, sondern in einem Morast oder Sumpf untergetaucht wurden. Tacit. de moribus Germ. Cap. XII. Anmerk. d. Red.] ausgedehnt, und hauptsächlich in folgenden drei Fällen vollzogen: zuerst, wenn Jemand seine Mutter ermordet hatte; dann, wenn eine weibliche Person Jemanden mit Gift, oder durch Zauberei, heimlich aus dem Wege geräumt hatte; endlich, wenn eine Mutter ihren Sohn oder ihre Tochter umgebracht hatte. Am meisten mußte also, bei der Seltenheit des ersten Falles, das Sacken bei weiblichen Personen vorkommen, und so sieht man, wie es zuerst Gebrauch, dann Gesetz wurde, diese Todesstrafe nur für das weibliche Geschlecht zu bestimmen. Kaiser Carl V. erkannte sie, außer den des Hochverrathes, der Giftmischerei und des dritten Diebstahls schuldigen Frauen, auch den Kindesmörderinnen, wovon im Artikel 131 der peinlichen Gerichtsordnung die Rede ist. Man sieht aus diesem Artikel, daß Kindermörderinnen damals gewöhnlich noch schrecklicher gestraft wurden. Denn es heißt zu Anfang desselben: „Item welches Weib ihr Kind, das Leben und Gliedmaßen empfangen hat, heimlicher, boshaftiger weiß ertödtet, die werden gewöhnlich lebendig begraben und gepfählt.“ Man pflegte sie nämlich halb in die Erde zu graben, so daß sie mit dem Oberleib noch über dieselbe hervorragten, und dann einen zugespitzten Pfahl durch sie zu schlagen. Carl der Fünfte fand diese Strafe zu hart. Er setzt daher in jenem Artikel hinzu: „Aber darinnen Verzweifelung zu verhüten, mögen dieselben Übelthäterinnen, in welchem Gericht die Bequemlichkeit des Wassers dazu vorhanden ist, ertränkt werden.“ Indessen macht der Gesetzgeber dabei die Clausel, daß an denjenigen Orten, wo das Verbrechen mehrmals begangen würde, entweder jene Gewohnheit des Pfählens beibehalten werden solle, oder mindestens müßten die Verbrecherinnen vor der Ersäufung mit glühenden Zangen gerissen werden.

Seitdem Carl V. die Strafe des Sackens auf diese Weise abermals in der peinlichen Halsgerichtsordnung erneuert und verordnet hatte, wurde sie fast in ganz Deutschland eingeführt und an weiblichen Personen vollzogen. Gegen diese erkannte man stets bis in das achtzehnte Jahrhundert auf Ersäufen in den beiden Fällen des Kindermordes und der Vergiftung. Der letzte Fall war der 1765 im Amte Meinersen vorgekommene, und die K. Justiz-Canzlei zu Celle entschied ihn nach der peinlichen Halsgerichtsordnung und dem damaligen Hannöverischen Gebrauch. Jene sagt im Artikel 130 ausdrücklich, wer Jemanden durch Gift an Leib und Gut beschädige, solle, sofern er eine Mannsperson sey, gleich einem vorsätzlichen Mörder, mit dem Rade zum Tode gestraft werden; „thäte aber eine solche Missethat ein Weibsbild, die soll man ertrenken, oder in andern Weg nach Gelegenheit vom Leben zum Tode richten.“ Zugleich wird über das Anfassen mit glühenden Zangen Folgendes bestimmt. „Doch zu merer Forcht Andern, sollen solch’ boshaftige, mißthetige Personen, vor der endlichen Todesstrafe geschleift, oder etliche Griff in ihren Leib mit glühenden Zangen gegeben werden, viel oder wenig, nach Ermessung der Person und Tödtung, wie vom Mord deshalb gesetzt ist.“

Seit dem gedachten, im Amte Meinersen zuletzt vorgekommenen, Falle der vollzogenen Todesstrafe des Sackens, ist ein späteres nicht bekannt, wie denn überhaupt in der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts diese Strafe in ganz Deutschland außer Gebrauch kam.

Münden. v. Horn.

Soweit die Ausführungen des Hofrats in Münden Johann von Horn, der drei Jahre zuvor bereits das Buch „Verschwörung gegen den Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen-Cassel …“ veröffentlicht hatte.

Der damalige Amtmann hieß Flotho. Der „Siebenfache Königl. Groß-Britannisch- und Chur-Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischer Staats-Calender über Dero Chur-Fürstenthum Braunschweig-Lüneburg, und desselben zugehörige Lande, Aufs 1765. Jahr Christi“ nennt Anton Bernhard Flotho als Amtmann und Henrich Ernst Ludewig Meyer als Amtschreiber, und an dieser Kombination sollte sich in den folgenden Jahren auch nichts ändern.

Übrigens verbot in Hannover erst 1859 ein Erlass das Schleifen der Delinquenten auf Kuhhäuten zum Richtplatz. Dort beseitigten die Paragraphen 1, 2 des Gesetzes vom 31. Dezember 1859 (Gesetz-Sammlung 1859, 953) die noch nach dem Strafgesetzbuch von 1840 mögliche Schärfung der Todesstrafe durch Schleifen zur Richtstätte. Die 1532 geschaffene Constitutio Criminalis Carolina (CCC) Kaiser Karls V. sagte in Artikel 193:Vnd soll darzu auf die richtstatt durch die unvernünftigen Thier geschleyfft werden.

Der besagte Amtmann zu Meinersen, Otto Carl Niemeyer, der in seinem Brief vom 18. September 1826 immerhin von etwa 50 noch lebenden Zeugen der Hinrichtung gesprochen hat, war am 2. Juli 1775 in Springe geboren worden und bekleidete später das Amt des Oberamtmanns.

Im „Neuen Hannöverischen Magazin“ heißt es in der Ausgabe vom 6. Februar 1797 in dem Beitrag „Über die Todesstrafe der Ersäufung, und des sogenannten Sackens“ (Spalte 165 f.): „In Deutschland selbst aber war man in den neuern Zeiten gewohnt, diese Todesstrafe ausschließend für das weibliche Geschlecht, und auf zwei Fälle zu erkennen, nemlich auf wiederholten Kindermord; (weswegen in den Preußischen Staaten unter König Friedrich Wilhelm dem Ersten 1720 und 1723 zwei geschärfte Edicte ergingen, die aber unter Friedrich des Zweiten Regierung nicht so genau beobachtet wurden, weil dieser kein Freund von Todesstrafen war,) und auf Vergiftung, wie solches im Cellischen, Amte Meinersen noch vor einigen zwanzig Jahren der Fall war, wo eine Frau, die ihren Mann heimlich und vorsätzlich vergiftet hatte, nebst ihrer Handlangerin, erst zur gerechten Ahndung ihres unerhörten Verbrechens mit glühenden Zangen gerissen, und dann in der Oker ersäuft wurde. Doch pflegt sich auch hierin jeder Staat nach seinen eignen Landesgesetzen und Verordnungen zu richten. Busse, Candidat.“

Quellen

Juristische Zeitung für das Königreich Hannover 1827Juristische Zeitung für das Königreich Hannover, hrsg. von Dr. E. Schlüter, Justizrat zu Stade, Dr. L. Wallis, Advokat zu Lüneburg, 2. Jahrgang, 1. Heft, Lüneburg 1827, S. 11 ff., Nr. 2 (15.01.1827), S. 20 ff.
Otto Carl Niemeyer: Einige Nachrichten von den im Amte Meinersen vorgefallenen Criminal-Vergehungen und peinlichen Strafen in älterer Zeit, Hannoversches Magazin 1819

Literatur

Matthias Blazek: Die Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen, ibidem, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-89821-957-0
Dieter Wittenberg: Verirrte Pestflüchtlinge dreimal mit dem Tod „geschreckt“, Sachsenspiegel 45, Cellesche Zeitung vom 09.11.1985

 

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