Catharine Maria Hasse hatte sich 1847 wegen Gattenmordes zu verantworten

Bodenteich, ein Flecken zwischen Uelzen und Wittingen, an der alten Verkehrsstraße von Braunschweig nach Hamburg gelegen, war bis 1859 Gerichtsort und hatte ein Amtsgericht, das dann nach Oldenstadt bei Uelzen verlegt wurde.

Von Matthias Blazek

Am Ende einer Straße, die nach dem Dorf Reinstorf führte, stand ein Haus, in dem der Töpfer Johann Gottlieb Hasse wohnte. Seine Frau, Catharine Maria, ein üppiges, schönes Weib, die, wie man sich erzählte, unter anderen Männern noch Anbeter fand, ermordete ihren Mann am 5. Oktober 1845 auf barbarische Weise. Sie durchschnitt ihm mit einem langen Messer die Kehle, als sie ihm beim Wechseln seiner Wäsche half. Dann lief sie in die Gastwirtschaft Lübke und gab dort bekannt, ihr Mann habe sich den Hals durchgeschnitten. Alle anwesenden jungen Leute liefen nun mit in das Haus des Töpfers und fanden den Mann in einer Blutlache.

Wie ein Lauffeuer durcheilte die schaurige Kunde den Ort. Bald kamen die Gerichtsbeamten und nahmen die Frau ins Verhör, bei dem sie angab, das Tropfen des Blutes unten im Hause gehört zu haben. Bei dem Lokaltermin erwies sich, dass ihre Aussage auf Unwahrheit beruhte. Auch fehlte das Messer, mit dem die Tat ausgeführt sein musste. Man fand es bei der Durchsuchung von Haus und Hof, noch blutig, unter einem Kanal nach der Straße zu. Durch Kreuzverhör in die Enge getrieben, gestand die Frau endlich ein, die grausige Tat selbst vollbracht zu haben, und wurde ins Gerichtsgefängnis geschleppt.

Die damals 22 Jahre junge Catharine Maria Hasse, geborene Bley, aus Bodenteich hatte sich wegen Gattenmordes zu verantworten. Sie wurde zum Tode verurteilt und sollte auf einem kleinen Hügel, der Richtstätte am „Fahrberg“, die unweit südlich des Weges von Bodenteich nach Reinstorf liegt, hingerichtet werden. Im Süden des Ortes (Abzweigung nach Lüder) eine weitere, hier aber nicht benutzte Richtstätte des Amtes Bodenteich: der Galgenberg. Auch hier hatten die Amtmänner Hinrichtungen, z. B. durch den Strick am Galgen, vornehmen lassen.

Es sollte schließlich die letzte Hinrichtung an jenem Ort sein. Die letzte Hinrichtung hatte dort immerhin 55 Jahre zuvor, am 20. April 1792, stattgefunden. Von beiden Hinrichtungen ist überliefert, dass die Menschenmenge, Kopf an Kopf stehend, das grausige Schauspiel erleben wollte.

In den „Hannoverischen Anzeigen“ vom 27. April 1792 verlautete:

Vollzogene Todesstrafe.

Amt Bodenteich. Vermöge allerhöchst bestätigten Erkenntnisses, ist Joh. Wilhelm Endewardt aus Riestedt, weil er seine schwangere Ehefrau vorsetzlich durch Gift getödtet, am 20ten April durch Zerschmetterung der Gebeine mit eisernen Keulen vom Leben zum Tode gebracht worden.

Die Hintergründe der jüngeren Tat werden uns vor Augen geführt, wenn wir einen Blick in die Prozessakte werfen:

Acta des Justiz-Ministeriums betreffend: Untersuchung wider die Wittwe Catharine Marie Hahse, geb: Bley, aus Bodenteich, wegen Mordes
Todesstrafe.
1847.

Aufschluss über die Person liefert die unterm 14. Dezember 1846 amtsseitig erstellte „Characteristik der Inculpatin Marie Hasse zu Bodenteich“. Catharine Maria Hasse, geb. Bley, wurde demnach im Jahre 1823 in Schmollau im Preußischen geboren. Ihr Vater war Schuhmacher, ihr weiland Ehemann hatte das Töpferhandwerk betrieben. In Bezug auf frühere Verbrechen und Strafen wurde festgehalten: polizeiliche Bestrafung mit dreitägigem Gefängnis wegen Unterschlagung, Entbindung von der Instanz wegen eines Gelddiebstahls, Bestrafung eines zu Hamburg begangenen Gelddiebstahls mit achttägigem Gefängnis und Verweisung aus der Stadt Hamburg. Der vorletzte Punkt befasst sich mit „Gemüthsart, Neigungen, Leidenschaft“:

Eine schlechte Erziehung scheint schon früh den Keim des Guten in der Inculpatin erstickt, und dieselbe mit dem Laster vertrauet gemacht zu haben; ein maaßloser Leichtsinn half ihr sich über die Folgen der von ihr zur Befriedigung ihrer unerlaubten Wünsche beschlossenen Vergehen hinwegzusetzen, und ein nicht gewöhnliches Verstandesvermögen gepaart mit der Gabe, rasch die Verhältnisse zu überblicken und sich zu Nutzen zu machen erleichterten und sicherten ihr die Ausführung. Die gegenwärtige Untersuchung mit ihrer Veranlassung stellt die Inculpatin als ein völlig demoralisirtes Wesen dar, als eine Person, welche kein Mittel, zur Erreichung ihrer; lediglich auf Befriedigung sinnlicher Lüste gerichteten Zwecke verschmähet und keinen ihrer Antriebe zu gewaltthätigen Ausbrüchen ihrer Verachtung und des Hasses gegen ihre Nebenmenschen den Zügel anlegt; sie erscheint als höchst gewohnt, verschmitzt und lügenhaft; und besitzt einen hohen Grad von Energie und Consequenz; baar jeden Anstrichs von Weiblichkeit, hat ihr die roheste Sinnlichkeit den Stempel in Blick und Mienen aufgeprägt.

Und nun die Mordtat. Sicherlich sorgte diese für allerhand Gesprächsstoff in dem verträumten Marktflecken Bodenteich. Die schließlich für den 9. September 1847 angesetzte Hinrichtung war wohl die Sensation des Jahres, ja vielleicht des Jahrzehnts für das Bodenteicher Land. Kein Jahrmarkt, keine Schützengilde, kein Missionsfest hatte jemals in Bodenteich so viele Menschen auf die Beine gebracht.

An diesem Tag strömten ungeheure Menschenmengen von weit und breit, zu Fuß und mit Wagen, herbei, um dem düsteren Schauspiel der Hinrichtung beizuwohnen. Auf dem Richtstuhl, der wegen des starken Körperumfanges der üppigen Schönen besonders angefertigt werden musste, wurde eine Kuhhaut ausgebreitet. Die Mörderin trug ein weißes, mit schwarzen Bändern geschmücktes, ausgeschnittenes Kleid. So auf einem Wagen in einem Stuhle thronend, die Arme festgeschnallt mit starken Riemen, fuhr man sie zwischen dicht gedrängten Menschenhaufen durch den Ort zur Richtstätte, wo die geschärfte Todesstrafe vollzogen werden sollte. Auf der Brücke, die an der Mühle über die Ilmenau führt, entstand nach der mündlichen Überlieferung ein solches Gedränge, dass etliche Leute ins Wasser gestoßen wurden. Als man endlich den Richtplatz erreicht hatte und die Spannung der vielen Schaulustigen aufs Höchste gestiegen war, besann sich Catharine Maria Hasse, ein Gnadengesuch an ihren Landesvater, Seine Majestät Ernst August, König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, zu richten: „Denn roop ick Königs Gnade an!“

Gleich lautend sind die Ausführungen im Kirchenbuch Bodenteich, wo an anderer Stelle auch die Vorgeschichte von 1845 eingehend beschrieben worden ist.

Am 9. September 1847 versammelten sich auf dem Marktplatz zu Bodenteich als Beamte des Amtes Bodenteich Amtmann R. und Amtsassessoren S. und Dr. zur Legung des hochnotpeinlichen Halsgerichtes. Sie nahmen an einem mit schwarzem Tuch behangenen Tisch vor dem Gefängnis Platz. Von Celle war eine Abteilung Dragoner, bestehend aus einem Offizier und 24 Unteroffizieren und Mannschaften erschienen, um dem Zug zur Richtstätte den Weg freizuhalten. Die Eingesessenen, mit Gewehren schwer bewaffnet, bildeten den ersten Kreis um die Gerichtstafel. Dahinter ritten 5 Landgendarme auf und ab, um die Menschenmenge abzuhalten. Um 10. Uhr wurde die Mörderin Hasse vorgeführt. Der Amtmann eröffnete das Halsgericht mit folgenden Worten: ,,Ich verkündige der versammelten Menge, daß namens Seiner Majestät des Königs in Untersuchungssachen gegen die Witwe Catharine Marie Hasse, geb Bley, wegen Ermordung ihres Ehemannnes von uns, den Beamten des Königlichen Amtes Bodenteich ein hochnotpeinliches Halsgericht allhier soll gelegt und gehalten werden.“ Er wandte sich mit erhobener Stimme an die Witwe Hasse: ,,Sie ist vor dieses öffentliche Gericht gestellt, um noch einmal Gott und Wahrheit die Ehre zu geben und die von ihr begangene Misstat frei, reumütig und öffentlich vor der Welt einzugestehen. Ich frage sie also: Hat sie am Abend des 5. Oktober 1845 ihren Ehemann, den Töpfer Hasse zu Bodenteich, mittels Durchschneiden der am Halse befindlichen großen Blutgefäße getötet?“ Die Hasse antwortet hierauf, als wenn ihr etwas Freudiges geschehen, mit lauter Stimme: ,,Ja!“ wobei sie einen Knicks machte. Sodann wurde das Urteil durch den Amtsassessor Dr. verlesen, worauf der Amtmann R. einen weißen Stab zerbrach, dessen Stücke er der Mörderin vor die Füße warf und dabei die Worte sagte: ,,Das Urteil ist gesprochen, der Stab ist zerbrochen. Catharine Marie Hasse, sie muss sterben.“ Er wandte sich an den Scharfrichter Fröhlich aus Hoya mit den Worten: Namens Seiner Königlichen Majestät und auf Befehl der Königlichen Justizkanzlei überweise ich ihnen die gegenwärtig verurteilte Witwe Hasse. Sie vollenden das Urteil an ihr genau nach den Buchstaben des Erkenntnisses. Sicheres Geleit wird ihnen und ihren Gehilfen damit versichert.“ Die Gehilfen des Scharfrichters schnallten Frau Hasse nunmehr auf der Schleppe fest. Unter dem Geläute der Glocken und in Begleitung der neben dem Schlitten gehenden beiden Geistlichen wurde sie zu dem Richtplatz, der sich auf dem sogenannten Fahrberge am Wege nach Reinstorf befand, langsam hinaus geschleift. Diesem Zuge ritten 6 Dragoner vorauf, weitere 6 folgten dem Schlitten. Auf dem Richtplatz angekommen, wurde sie losgeschnallt und bestieg das Schafott gleich einer Schauspielerin, die die Bühne betritt. Sie verlangte bis 11 ½ Uhr reden zu dürfen, erging sich dabei in Gotteslästerungen und rief in letzter Minute die Gnade des Königs an, so daß die Hinrichtung nicht stattfinden konnte.

Die Menge wurde diesmal um ihre Erwartungen betrogen; die Hinrichtung wurde ausgesetzt. Man lud die Schöne wieder auf den Karren, und unter Halloh ging es zurück in den Kerker.

Und was war das? Als der Zug bei der Masch über die Brücke musste, fielen die Pferde ins Wasser. Ging so etwas mit rechten Dingen zu?

12 Bogen mit 48 Seiten hat Catharine Maria Hasse daraufhin vom 11. bis 17. September 1847 zu Papier gebracht, ihr Begnadigungsgesuch. Sie schrieb frei und gab ihren Gedanken freien Lauf. Mit einem Hauch von Poesie und guten Worten für ihren Landesvater machte sie sich ans Werk. Der Einstieg gibt in etwa ihre Motivation wieder: „Vorgestern den 9 September. Ließ ich mier zum richtplatz Schlebben, mit den Gedanken, standhaft mein Schafot zu Betreten, und mit den Gedanken, das ich den Tod nach der Dad mit recht verdient hette, aber mit den Gedanken nachdem ich dazu gekommen were, Meinen guten Mann zu töten, Geschehe mier zu viel, und nach dem Gedanken wolle ich eine ernsteste rede machen. ich fing die rede an Mein Vertrauen steht zu Gott, ferner, ich hoffe nun ein Besser Leben, das Alles Leiden unterbricht, ferner, mein Geburtstag ist mit Trähnen eingeweit, und mier ein Anfang fieler Last gewesen, mier wurde die rede gestört, ich möchte doch stille Sein, ich fing Aber weiter an, (…)“ [bis hierher Seite 1] Im Weiteren ergibt sich, dass die Delinquentin wiederholt von den Beamten aufgefordert wurde, ruhig zu sein. Pastor Johann Heinrich Wilhelm Kastendieck, vorher übrigens Pastor in Altencelle, sagte der Frau, wie spät es war, nämlich halb elf. Um 10 Uhr hatte der Menschenzug Bodenteich verlassen. Catharine Maria Hasse meinte, dass jemand, der seinen Tod freiwillig annehme, wie sie, der bräuchte sich „nicht gleich den Hals abhauen zu lassen“. Sie wollte bis halb zwölf weiterreden und bekam zur Antwort, das ginge nicht. Dann wollte sie aber die königliche Gnade erflehen dürfen, was man ihr dann schließlich gestattete.

Am 17. September 1847, als sie das Begnadigungsgesuch abschloss, fand Catharine Maria Hasse noch eine freie Stelle auf Seite 2. Sie schrieb sinngemäß, dass, wenn der König sie nicht begnadigen sollte, sie noch einen Wunsch habe: Sie wollte den König sehen, sie wollte, ehe sie das Schafott betrat, ein Geschichtsbuch verfassen über schlechte Erziehung, welches dann, nach ihrem Tode, gedruckt werden sollte. Es sollte ein vernünftiges Buch sein, sie wollte es mit Tinte und Feder schreiben. Vorteilhafter sollte ihr Werk für die Ordnung im Lande sein, als wenn ein Prediger ein Buch schriebe. Auf dem Wege wollte Catharine Maria Hasse die von ihr verursachten Kosten wieder gut machen „und noch mehr“. Das waren ihre letzten Worte in ihrem Gnadengesuch.

Am gleichen Tag wurde sie fesselfrei auf dem Amt Bodenteich vorgeführt, wo sie ihre Bittschrift an die Amtsassessoren Ludewig Carl Georg Hermann Sarnighausen (vom Amt Harburg) und August Heinrich Georg Drewsen übergab.

Catharine Maria Hasse sollte aber kein Glück haben. Am 29. September 1847 machte das Justizministerium gegenüber der Königlichen Justizkanzlei zu Celle deutlich, dass „Seine Königliche Majestät Sich nicht habe bewogen finden können, der Bittstellerin die wohlverdiente Todesstrafe im Wege der Gnade zu erlassen“ und dass dies „Allerhöchst Ihr fester und unwiderruflicher Willen“ sei. Von einer Wiederholung des Hinausschleifens der Delinquentin nach der Richtstätte sollte indes diesmal abgesehen werden. Weiter heißt es:

Die Königliche Justiz Canzlei wird dafür Sorge zu tragen haben, daß diese Allerhöchste Entschließung der Inquisitin eröffnet werde.

Es ist im Übrigen von Sr. Majestät dem Könige nicht unberücksichtiget geblieben, daß möglicher Weise das Begnadigungsgesuch unter so außerordentlichen, nicht vorher zu sehenden Umständen erneuert, oder dessen Wiederholung solche, neu ermittelte, Begnadigungsgründe untergelegt werden könnten, daß das Amt Bodenteich gerechtes Bedenken tragen müsste, der desfallsigen Allerhöchsten Würdigung und Entschließung durch ungehemmte Vollstreckung des Urtheils vorzugreifen.

Nur in einem solchen, freilich nicht zu erwartenden, Falle wollen Sr. Majestät die Sache Sich anderweit vorgelegt sehen.

Es versteht sich von selbst, daß diese Bestimmung dem Amte als eine, nur zu seiner Instruction dienende und deshalb nicht zu veröffentlichende mitzutheilen ist.

Hasses Gnadengesuch war also abgelehnt worden. Lediglich vier Wochen Aufschub hatte sie erreicht. Zur Vollstreckung des Urteils fand sich am 19. Oktober 1847 der Scharfrichter Christian Ludwig Fröhlich aus Hoya (* Münder am Deister 14. Juli 1799, † Hoya 11. März 1870) mit seinen Knechten in Bodenteich ein. Vor dem feierlichen „peinlichen Halsgericht“ auf dem Marktplatz bestätigte Catharine Maria Hasse vor versammelter Menge mit einem lauten und deutlichen „Ja“ die vom 64 Jahre alten Amtmann Adolph Friedrich Carl Stromeyer verlesene Mordanklage. Danach verkündete der Beamte das Urteil: „Das Urteil ist gesprochen, der Stab ist gebrochen, Catharina Marie Hasse, sie muss sterben.“ Dann übergab er die Delinquentin in die Hände des Scharfrichters.

Unter Glockengeläut und Begleitung von Geistlichen wurde sie auf einer Schleppe zur Richtstätte auf dem Pütgerberg vor dem benachbarten Reinstorf geschleift. Die Schulkinder sangen: „Gerechter Gott, vor Dein Gericht tritt nun ein armer Sünder“.

Es waren dieses Mal weniger Leute gekommen. Der Scharfrichter setzte vorsichtig das Schwert an den Hals und zog, ohne zu schneiden, daran herunter, um dann im nächsten Augenblick zu dem gewaltigen, tödlichen Hieb auszuholen.

Der Kopf fiel herab. Den schweren Körper stießen die Henkersknechte den Hügel hinunter, legten ihn in einen roh gezimmerten Kasten und begruben ihn an Ort und Stelle. Den Kopf hob der Scharfrichter an den Haaren in die Höhe und zeigte ihn, wie es üblich war, den Leuten. Etliche der Anwesenden nahmen sich blutbespritzte Fetzen von den Kleidern mit zur Heilung von Krankheiten. Einer der Zuschauer kaufte den Richtstuhl, weil er Wert auf die Riemen legte, die er für Karren gebrauchen wollte.

Der Richtstuhl von Bad Bodenteich.

Nachbildung des „Pöttkerstuhls“ im Kleinen Burgmuseum in Bad Bodenteich

Den Stuhl ließ er stehen. Ein weiterer nahm das schwere Möbelstück kurz entschlossen auf den Rücken, trug es nach Hause und reinigte es von den Blutflecken. Zum Entsetzen seiner Mutter stellte er den Stuhl neben sein Bett.

Folgende Empfehlung stellte der Amtmann Stromeyer dem Scharfrichter unmittelbar nach der Enthauptung aus:

Dem Scharfrichter Herrn Fröhlich aus Hoya bezeugen wir hiermit auf dessen Wunsch aber auch mit Vergnügen, daß derselbe die am heutigen Tage hierselbst stattgehabte Enthauptung der Inquisitin Hasse aus Bodenteich mit großer Festigkeit und ausgezeichneter Geschicklichkeit ausgeführt hat und wir uns gern veranlaßt sehen, demselben darüber unsere besondere Zufriedenheit zu erkennen zu geben.
Bodenteich den 19. Oktober 1847
Königliches Hannoversches Amt
gez. Strohmeyer

Die Hinrichtung hatte aber auch noch ein makabres Nachspiel. Wenige Tage nach der Hinrichtung kam nämlich der Königlichen Landdrostei in Lüneburg zu Ohren, der Scharfrichter Fröhlich habe auf seiner Heimreise nach Hoya den Kopf der Enthaupteten mitgenommen und in Celle gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zur Schau gestellt. Das Unternehmen flog auf, als man in Hannover, wo die Leichenteile inzwischen eingetroffen waren, das Fehlen des Kopfes feststellte.

Im Bericht der Polizeikommission in Celle vom 26. Oktober 1847 heißt es, dass der mit dem Vollzug der Hinrichtung beauftragt gewesene Scharfrichter den Kopf und die übrigen Leichenteile mitgenommen habe, um diese in das „Collegium medico-chirurgicum“ (1716 gegründet) nach Hannover zu bringen.

In Celle logierte er mit seinen Knechten in einem Gasthof auf der Blumlage vor Celle. Den Schädel der Hingerichteten sollte Fröhlich für den just vom Amt Hoya zur Justizkanzlei zu Celle versetzten Kanzleisekretär Georg Friedrich August von Bremer präparieren, damit dieser ihn auf seinem Schreibtisch aufstellen konnte.

Im Bericht heißt es:

Die sonderbare Passion eines hiesigen Herren für Schädel Hingerichteter ist die Veranlassung gewesen, daß der Kopf der am 19. dieses Monats zu Bodenteich hingerichteten Ehefrau Hasse nicht mit dem übrigen Körper bestattet ist, sondern hierher gebracht worden.

Als dieses ruchbar geworden, haben einige der hiesigen Aerzte aus wissenschaftlichen Zwecken den Kopf durch den Nachrichterknecht sich zeigen lassen und dafür aus freien Stücken ein Trinkgeld gegeben. Dieses in Gegenwart mehrerer Personen gezahlte Geld hat den Nachrichterknecht veranlaßt, einen gewissen Appel an der Thür des Wirthshauses aufzustellen und von den Eintretenden ein Entrée nach Belieben in Empfang zu nehmen.

Von 12 Uhr mittags bis abends spät hat sich dann eine nicht unbedeutende Anzahl Personen eingefunden, die theils gegen, theils ohne Zahlung ihre Neugierde befriedigt haben.

Der Kopf ist derselben Nacht von hier nach Hannover gebracht. Zu meiner Kenntniß gelangte die Sache erst, als der Kopf fort war.

Das Gerücht, daß der Kopf geschminkt und mit frisirtem Haare ausgestellt worden, beruhet auf einer leeren Erfindung.

Zur Bestrafung des Nachrichterknechtes und Herausgabe der gehobenen Gelder sind mit dem Amte Hoya die erforderlichen Communicationen zugelegt.

Aber wie war es überhaupt möglich gewesen, dass der Kopf nicht mit bestattet, sondern vom Scharfrichter zurückbehalten worden war? Darauf konnte nur das Amt Bodenteich Antwort geben. Dem Amtmann und seinen Assessoren, die alle eingeweiht waren, war diese Anfrage offenbar sehr peinlich; hatte doch mit diesem Nachspiel niemand gerechnet. So verfassten sämtliche beteiligten Amtspersonen ein gemeinsames Schreiben und erklärten darin:

Am Tage vor der Enthauptung der Mörderin Hasse kam der Scharfrichter Fröhlich aus Hoya, (Amtsassessor Drewsen) mit dem Antrage, den Kopf der Hasse mit nach Celle nehmen zu dürfen, um solchen dem Canzlei-Auditor Bremer daselbst einzuhändigen.

Derselbe unterstützte diesen Antrag durch Production eines Schreibens an ihn vom Canzlei-Auditor Bremer, worin dieser den Wunsch aussprach, in den Besitz des Kopfes gesetzt zu werden. Ich entließ denselben mit der Erwiederung: daß, wie ich glaube, gegen die Mitnahme des Kopfes etwas zu erinnern nicht sein werde.

Später setzte ich nun auch den mitunterzeichneten Amtmann Stromeyer in Kenntnis, worauf man nach glücklich vollzogener Execution stillschweigend ohne Weiteres die Mitnahme des Kopfes geschehen ließ, indem man den Mißbrauch, welcher später in Celle mit dem Kopfe getrieben worden, nach dem von Scharfrichter Fröhlich angegebenen Motive seines Antrages natürlich nicht erwarten, gegen die Mitnahme des Kopfes an und für sich und zu dem vom Scharfrichter Fröhlich angegebenen Zwecke aber um so weniger ein Bedenken finden konnte, als Köpfe von Hingerichteten sich im Besitze mancher Privatpersonen befinden, auch gesetzliche Vorschriften existieren, wonach aus einigen Bezirken des hiesigen Landes die Leichen der dort öffentlich justificirten Verbrecher resp. an die Anatomie-Cammer zu Göttingen und an die chirurgische Schule zu Hannover abgeliefert werden sollen, also die Nichtbestattung dortiger Leichen oder Nichtbestattung einzelner Theile derselben beziehungsweise resp. als zulässig erscheint, oder als zulässig erscheinen dürfte.

Aber die Obrigkeit wollte es ganz genau wissen. So wurde auch Scharfrichter Fröhlich noch vernommen. Er gab zu, das „decollirte Haupt“ mitgenommen zu haben, nachdem er die Erlaubnis vom Amt bekommen habe. Auch sonst bestätigte er die bereits ermittelten Angaben. Den Vorgängen im Gasthof zur Blumlage in Celle, wo er einen Rasttag eingelegt habe, sei von ihm keine besondere Bedeutung beigemessen worden. Er wisse nicht, was gegen das Vorzeigen von Richtschwert und Haupt vor interessierten Personen einzuwenden sei, zumal sich auch zwei Polizeioffizianten (Beamte) eingefunden hätten, „um Schwert und Kopf in Augenschein zu nehmen“. Das sei jedoch nicht in der Wirtsstube, wie das Gerücht behaupte, geschehen, sondern in einem anderen Zimmer. Die beiden Knechte, die er übrigens nur für die Enthauptung in Bodenteich angeworben hätte, seien gewesen: Jacob Beck aus Homfeld, Amts Bruchhausen, und Philipp Uder aus Wulfelade, Amts Neustadt.

Im Übrigen sei der Kopf sonst nirgends gezeigt und bei der Ankunft in Hoya zur Präparation sofort in ungelöschten Kalk gelegt.

Viel blieb der Regierung in Hannover nicht mehr zu tun. Die makabren Vorgänge waren nun einmal geschehen. Scharfrichter Fröhlich erhielt einen „ernstlichen Verweis“. Auch das Amt Bodenteich wurde wegen seines „höchst unpassenden Benehmens“ gerügt; und schließlich erhielt auch die Polizei in Celle einen Tadel, da sie hier „bei nur einiger Umsicht“ hätte einschreiten müssen.

Sogar ein Reim wurde in Erinnerung an das „Pöttcherweib“ verfasst, der als Lied interpretiert wurde, nach dem man tanzte:

Twüschen Reinsdörp un Bondiek,
da ligt dat olle Pöttcherwiew,
o weh, o weh, o je!
De söch siek Kerls to’n Tiedverdriew,
und wer dat wör, dat wör öhr gliek.
Dat Pöttcherview, dat Pöttcherwiew,
dat ha den Düwel in’n Liew,
oje, oje, o weh!

Der besagte, beiseite geschaffte Richtstuhl fand nach Jahren sogar soviel Gnade, dass er, frisch rotbraun angestrichen, in die große Essstube des Hauses wanderte. Die Kinder saßen oft zu zweit darin, denn der Stuhl war breit und tief. So ist er noch mehrere Jahrzehnte unter dem Namen „Pöttkerstuhl“ in der Familie und in demselben Hause geblieben, bis ihn einer der Söhne dem Museum in Celle als Erinnerung an die letzte mit dem Schwerte vollzogene öffentliche Hinrichtung schenkte.

Quellen:

Niedersächsisches Landesarchiv -Hauptstaatsarchiv Hannover- Hann. 72a Nr. 7142
Niedersächsisches Landesarchiv -Hauptstaatsarchiv Hannover- Hann. 80 Lüneburg I Nr. 1187

Literatur:

Matthias Blazek: Hexenprozesse – Galgenberge – Hinrichtungen – Kriminaljustiz im Fürstentum Lüneburg und im Königreich Hannover, Stuttgart 2006
Celler Heimatkalender auf das Jahr 1934, Celle 1933
Adolf Meyer: „Wem gehört der Kopf eines Toten“, Sachsenspiegel 46, Cellesche Zeitung vom 25.10.1969, mit Hinweis auf NLA HptStA Hannover Hann. 80 Lüneburg I Nr. 1187 und H. Behrens, De unheemliche Macht
Rolf Hillmer: Strafjustiz und Abdeckerei in der Stadt Uelzen und in den Ämtern Bodenteich, Ebstorf, Medingen und Oldenstadt, Norderstedt 1996
Heinrich Schäfer: Chronik Bodenteich, Burg – Amt – Flecken, Bodenteich 1985
Katharina Seidel: Scharfrichter Fröhlich, Hoyaer Hefte, Schriftenreihe des Heimatmuseums Grafschaft Hoya e.V., Nr. 4, Hoya o. J. (1995)

 

 

zurück zur Übersicht