Wahrzeichen der Wathlinger Feldmark / 1931 vom Sturm zerstört

Die Wathlinger Bockmühle war 1931 die älteste unter den drei noch stehenden Mühlen im Kreis Celle (Hohnebostel, Wathlingen, Winsen/Aller). Sie hatte damals schon seit Jahrhunderten zu den Wahrzeichen der Wathlinger Feldmark gehört.

Von Matthias Blazek

Alte Bockmuehle Wathlingen Ottens

Das Recht, Mühlen zu bauen, gehörte ursprünglich dem Landesherrn. In diesem Falle hatte vermutlich der Landesfürst der Familie v. Dageförde die Berechtigung gegeben, welche „mindestens seit 1360“ (Pröve) bis zum Tode von Lambert Heinrich v. Dageförde im Jahre 1616 in Wathlingen ansässig war. Diese adelige Familie hatte das Mühlenrecht in Wathlingen besessen, und für das Dorf bestand der Mahlzwang, das heißt, seine Bewohner mussten hier mahlen lassen.

Erstmals urkundlich genannt wurde die Mühle im Hausbuch der Herren von Dageförde in Wathlingen. Das Jahr der Niederschrift lässt sich, so Heinrich Pröve im „Sachsenspiegel“ der Celleschen Zeitung vom 29. September 1932, nicht genau festlegen. „Die äußeren Zeitgrenzen müßten 1586, das Jahr der Übernahme des Gutes durch Matthias nach dem Absterben seines Bruders Werner, und 1609, das Jahr seines eigenen Todes, sein.“ Die Textstelle im „Wathlingschen Hauss-Buch“ lautet:

So müssen auch Offensen undt des Pastorrs Meiers midt der Hant dienen, wan es ihnen angetzeiget wirdt.

Zudeme müssen auch die Leute zu Wathlinge, wan sie meher dan eine wische hegen, die gequer darumb thun.

Die Windtmühle vor dem Dorffe Wathlinge midt allen Zubehörungen.

Nach dem Tode Lambert Heinrichs v. Dageförde im Jahre 1616 ging die Mühle in den Besitz einer Verwandten über, Ursulas v. d. Ohe, die scheinbar Forderungen an die Dagefördischen Erben hatte.

Nach ihrem Tod (1649) nahm der Herr v. Lüneburg die Mühle kurzerhand für sich in Anspruch, wurde dann aber deswegen von dem Herzog Christian Ludwig gerügt. Er sollte sie wieder herausgeben. Doch musste Johannes Breyger, „der Rechte Doktor, fürstlich Braunschweigisch Lüneburgischer Wohlverordneter Hoffrath und Hoffgerichts assessor zu Zelle“, feststellen, dass Friedrich v. Lüneburg schon viel Geld in Ausbesserungen und Erneuerungen der Mühle verwendet hatte: „wenn Ursula v. d. Ohe noch ein paar Jahr die Mühle behalten, wäre alles umgefallen“. Sie hatte nur nach ihrem eigenen Nutzen getrachtet, das Holz und Grundwerk aber gar verderben und in Abgang kommen lassen. Als sich dann der neue Besitzer bereit erklärte, gewisse Dagefördesche Schulden auf sich zu nehmen, bekam er die Mühle zu Lehen und sollte sie „zu ewigen Tagen behalten“. Friedrich v. Lüneburg zahlte an die Erben der Dageförde 77 1/2 Reichstaler. Christian v. Knesebeck hatte nämlich diese Summe „in seinen großen Nöten, wie er sich und seinen Vettern keinen Rat zu schaffen gewußt wegen ihrer gesambt Lehne, das gewöhnliche Laudemium [Lehngeld] zu Halberstadt abzulegen“, von Ursula v. d. Ohe geliehen. So kam die Mühle in dauernden Besitz derer v. Lüneburg. Sie wurde in Erbpacht gegeben und brachte beispielsweise um 1800 insgesamt 100 Reichstaler Kassamünze jährlich.

Im alten Kirchenbuch des Pfarrarchivs der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Marien in Wathlingen finden wir eine interessante Notiz:

1654

Gestorben

31. Jan: Heinrich Mohwinkell, auff hiesiger Windmühl sich zu tod gemahlen.

Wir finden die Mühle dann wieder erwähnt in dem „Watlingschen Dienst-Register“ von Ostern 1722 bis Ostern 1723, welches, so Pröve, im Gutsarchiv Wathlingen (v. Lüneburg) archiviert ist. Matthias Isensee hatte dem Haus Wathlingen nach diesem Register „jährl. 125 Tage mit der Handt“ gedient. Da verlautet unter anderem:

den 27. Okt., bey der Mühle geholfen, 1 Tag

den 3. Nov., bey der Mühle, 1 Tag

Unter den Gesamtleistungen an Hand- und Spanndiensten des Jahres 1722/23 finden wir unter dem 18. Juli: „nach Wienhaußen nachr Mühlen“ (1 Person, 1 Tag), aber auch: „Mist außn schafstall gefahren“ (17. April, 3 Leute, 1 Tag), „außn schafstall Mist gefahren“ (21. April, 2 Leute, 1/2 Tag), „Plaggen in schafstall“ (1. Juli, 1 Person, 1/2 Tag) und unter den Handdiensten „zum Mistladen im schafstall“ (18. April, 4 Leute, 1 Tag), „im Schafstall Mist geladen“ (21. April, 4 Leute, 1/2 Tag), „noch Mist geladen“ (21. April, 2 Leute, 1 Tag) und „plaggen in den schafstall gehauen“ (4. Juli, 6 Leute, 1/2 Tag).

Von den Herrendiensten der Pfarrmeier verlautete unter dem 14. Februar 1732: „(…) Einer von dreien muß soweit als Lachtehusen, oder wo es sonst der Pastor begehret, das Korn nach der Mühlen fahren und ein ander es wiederholen. NB. Wenn einer es hier nach der Mühlen fährt, muß er’s selbst auch wiederholen. Nach andern Mühlen muß es Kienemann hinfahren und die beiden anderen es ein ums andere wiederholen, davor kriegt der Hinfahrer einen Kuchen und die Wiederholer auch einen.“

Im Jahre 1787 pachtete Mathias Rehbock als 44-Jähriger die Mühle in Wathlingen von Herrn Baron von Lüneburg. Später hat dann die Familie Rehbock in dem Müllerhaus einen Dorfkrug eingerichtet.

Nach 1800 wird wieder eine gründliche Ausbesserung erfolgt sein, denn am Hammer, dem waagerechten Balken über dem Hausbaum, steht die Inschrift: „Mühlen Meister F. Schirges ANNO: 1809“.

Nähere Nachrichten aus dem 19. Jahrhundert liegen nicht vor, auch ist die Mühle nicht in dem „Brand Versicherungs Cataster für das Gericht Wathlingen“ aus dem Jahre 1835 aufgeführt.

Vor der nächsten Jahrhundertwende pachtete die Müllerfamilie Rehbock die Mühle und das zur Mühle gehörige Müllerwohnhaus. 1902 kauften Rehbocks die Mühle.

Eines Tages kaufte der „alte“ Rehbock, „ein Mann mit langem weißen Vollbart“, das Wohnhaus und den daneben liegenden „Dorfkrug“ und richtete darin die Gaststätte „Zum weißen Rehbock“ ein. Diese blieb bis 1921 im Familienbesitz, dann ging die Wirtschaft an Wilhelm Jahrand über.

Jürgen Gedicke notierte über die Wirtschaft: „Das heutige Gasthaus ‚Zur Mühle‘ in der Bahnhofstraße sieht aus wie aus einem Guß. Niemand würde vermuten, daß hier zwei Gebäude räumlich miteinander verbunden wurden. Tatsächlich müssen Müllerwohnhaus und Dorfkrug früher zwei selbständige Häuser gewesen sein. Den Worten eines Zimmermeisters war zu entnehmen, daß der Dachstuhl des heutigen Gebäudes nicht in einer Linie steht, sondern in dem Bestreben, beide Gebäudeeinheiten zu verbinden, einen merklichen Bogen macht. Wahrscheinlich wurde diese erwähnte Zusammenlegung von Dorfkrug und Wohnhaus schon vor der Jahrhundertwende vollzogen.“

Wie Gedicke weiter berichtete, wurde das Gebäude dennoch um die Jahrhundertwende nochmals erweitert. Beim Kaliwerk beschäftigte Zimmerleute und Maurer sollen damals einen für den Bauherrn Rehbock kostenlosen Anbau mit Krüppelwalm ausgeführt haben, um damit ihre für Kost und Logis aufgelaufenen Schulden („Zechschulden“) zu bezahlen.

Am Mauerwerk der Mühle fand Friedrich Barenscheer in einem Granitblock die Zahl 1907.

Rehbocks waren sehr musikalisch. Ernst Engelke, „Löns“ des Dorfes, erinnerte sich: „Georgs Trompete schallte an manchen Abenden über das ganze Dorf hinweg. Es gab ja noch keinen Autolärm, keine Eisenbahn und keine Fabriken. Unser Garten grenzte an das Grundstück der Rehbocks. Ich habe als Kind abends oft die Musik gehört.“

Die Gastwirtschaft hatte auch Übernachtungszimmer, dazu einen Pferdestall zum Ausspannen der Pferde. Auf einem alten Foto sieht man einen Übernachtungsgast, der gut verkauft und abends in der Gastwirtschaft gefeiert hatte, wobei er viele Runden ausgegeben hatte. Er wurde mit Musik von Georg und Otto Rehbock verabschiedet.

Abschiedsständchen vor dem „Weißen Rehbock“ (1904)
Von Ernst Engelke

Vor föftig Johr’n een Sommerdag –
Still leeg dat Land dor, wiet un sied,
De Möhl’ dreiht öhre Flögels sach,
As wull sei seggen: Ick heww’ Tied.

Man vör den Kraug hürt sei een Sang,
Dor was een Juchen un Gewese.
Herr Heinz-Adolar Snutenslank,
De stiggt dor grad in sine Chaise.

Hei was „Commis voyageur“
In Konfekschon för Fru’n un Kinner.
Dat segg’ ick juk -alla Bonnöhr-,
Uemmer in Frack un Civillinner!

Hei härr an Awend in den Kraug
Väl lütte Lagen ut’egewen.
Ehm dücht: „Verköfft heww’ ick hier ’naug,
Wer lewen will, de lett ok lewen.“

De Kräuger, Rehbock was taufreden,
Hei hal’ sin’ Klampf un sung nu scheun,
De Vigelin däh’ ehm begleeden:
„Wer waaß, wenn wi üsch wedderseihn!“

Mit twei PS brust sei dorvun.
Un komt sei hüt’ ok nich ganz wied,
Dat Lewen het noch manke Stunn’!
Scheun was dat hier – un wi hebt Tied.

Nach Windmüller Rehbock hatte Gastwirt Vollrath [später in Celle, Kirchstraße, wohnhaft (1932)] die Mühle in Besitz, der sie unter anderem an den letzten Windmüller im Dorfe, Hermann Steinfeld aus Wathlingen (1919), und den Windmüller Fritz Schwenke aus Sorgensen verpachtete.

Als Hermann Steinfeld die Mühle 1919 pachtete, hatte sie bereits fünf volle Jahre stillgestanden, die gesamte Dauer des Ersten Weltkriegs hindurch. Als der Windmüller sie wieder in Gang bringen wollte, bemerkte er sehr schnell seine Abhängigkeit vom Winde. Wenn Wind gebraucht wurde, kam keiner. Die Konkurrenz in Eicklingen arbeitete schon mit Hilfsmotor, in Wienhausen wurde Wasserkraft genutzt. Müller Steinfeld richtete sich deshalb 1920 in dem zur Wirtschaft gehörenden Pferdestall eine Motormühle ein und gab die Mühle auf.

Als die Geschäfte des Sägewerks „gut gingen“, kaufte Heinrich Timme große Landstücke am Mühlenberg. Unter anderem erwarb er auch 1922 (1923) die alte Bockwindmühle von Fritz Schwenke, ohne sie allerdings lange im Besitz zu haben …

Zwar hatte Heinrich Pröve seine Mühlenhistorie 1925 noch eingeleitet mit folgenden Worten: „Und die Windmühle? So alt und rumpelig sie da draußen vor dem Dorfe geworden ist, sie hat es heute eiliger denn je. Es scheint fast, als wollte sie die Zeit, die ihr noch bleibt, ausnutzen und wirken, solange es Tag ist; „denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“, was, in ihr Schicksal umgedeutet, sagen will: das Dorf wächst und wächst und umklammert sie schon in weitem Bogen mit einem Ringe von Siedlerhäusern. Immer näher rücken sie ihr auf den Leib, ein Neuling hat sich sogar schon dicht unter ihre Flügel gewagt, um die die Jugend des Dorfes vor 20 und weniger Jahren noch einen weiten Bogen machte. Da könnte es kommen, daß die Stunde der Mühle geschlagen hat, ehe sie sich’s versieht. Und ob auch alle Knochen schmerzen und der ganze Leib durchgerüttelt wird – sie arbeitet doch. Schade wäre es drum, wenn sie eines Tages verschwinden müßte; hat die Erde doch so viel Raum, aber Windmühlen baut man niemals wieder.“

Bockwindmuehle_1925

Die Wathlinger Bockwindmühle im Jahr 1925. Foto: Tewes

Und Friedrich Barenscheer schrieb noch 1930 für den „Heimatkalender auf das Jahr 1931“: „Der jetzige Besitzer, Herr Sägewerksbesitzer Timme, hat sie im Jahre 1922 erworben; aber ihm war das Mühlengrundstück schon wichtiger als die Mühle selbst. Der Bruder des Besitzers hat den Betrieb der alten Mühle noch jahrelang aufrechterhalten. Jetzt liegt sie still; wie es heißt, hofft man, mit einer gründlichen Ausbesserung die Mühle wieder arbeitsfähig zu machen.“

Aber es kam anders. In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1931 beschädigte ein Sturm die Mühle schwer. Am Morgen war zu sehen, dass sie sich in einem beträchtlichen Winkel zur Seite neigte und in Gefahr war, umzuschlagen. Was damals befürchtet wurde, trat am 7. Januar ein. Bei heftigem Sturm stürzte die Mühle um und wurde völlig zertrümmert.

In der „Celleschen Zeitung“ vom 12. Januar 1932 verlautete am Ende des Berichts: „Eine reiche Geschichte hat die Wathlinger Bockmühle hinter sich. Sie wäre zu retten gewesen, wenn der morsch gewordene Bock durch einen neuen ersetzt wäre. Eifrig ist man jetzt bemüht, den Trümmerhaufen durch Pferde auseinanderreißen zu lassen, um das Holz der Mühle unter dem Kessel des Sägewerks zu verbrennen.“

Gerettet wurde aber der Mühlenbalken. Von den Findlingen, auf denen die Mühle Jahrhunderte geruht hatte, sollen einige zu einem Hausbau an der Schulstraße verwendet worden sein.

Das Celler Land hatte fortan nur noch die beiden Bockwindmühlen bei Hohnebostel und Winsen (Aller).

Heute ist die Wathlinger Bockmühle Geschichte. Nur noch wenige Menschen werden sich an dieses alte Wahrzeichen der Wathlinger Feldmark erinnern können, an deren Gebälk hoch oben einmal sogar eine Schützenscheibe hing, als ein Hänigser Pächter Schützenkönig war. Der Standort der Mühle befand sich nach der Liegenschaftskarte im Winkel der Straßenzüge „Am Urnenfeld“ und „Im Mühlenfeld“, genau im Flurstück 160/4 der Flur 1 (Bereich aufgemessen 1940 und 1971).

Quellen:

Friedrich Barenscheer: Die drei letzten Bockmühlen im Kreise Celle, Heimatkalender auf das Jahr 1931, S. 64 ff.
Jürgen Gedicke: Wathlingen – Geschichte eines niedersächsischen Dorfes, Band II, Wathlingen 1987, S. 102 ff.
Wilhelm Kleeberg: Niedersächsische Mühlengeschichte, Hannover 1979, S. 223
Heinrich Pröve: Wathlingen – Geschichte eines niedersächsischen Dorfes, Celle 1925 (Nachdruck: 1985)
NLA-HStA Hannover Hann. 74 Celle Nr. 1261
Cellesche Zeitung vom 12. Januar 1932 („Die Wahtlinger (sic!) Bockmühle“)
Cellesche Zeitung vom 29. September 1932 (Sachsenspiegel von Prof. Dr. Heinrich Pröve: „Das Hausbuch der Herren von Dageförde in Wathlingen“)
Wathlinger Echo vom 1. und 8. August 2000

 

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