Dörfer im Schatten der Müggenburg

Die Geschichte des südwestlichen Landkreises Celle von Matthias Blazek und Wolfgang Evers

Im Jahre 1824 errichtete der Chausseeaufseher Gerhard Lindenbaum „im Westerzeller Felde, an der Hannoverschen Straße“ ein Wohnhaus und wurde damit erster Einwohner der neu gegründeten Kolonie Adelheidsdorf. Lindenbaum blickte zu der Zeit auf einen jungen Fuhsekanal und eine junge Chaussee von Hannover nach Celle.

Als Johann Gerhard Lindenbaum sein Wohnhaus errichtete, war der Celler Südkreis weitgehend unbesiedelt. Seit mehr als 50 Jahren war der Fuhsekanal fertiggestellt gewesen, der die Kolonie künstlich gegen Norden begrenzte. Lindenbaum musste zunächst noch ohne Nachbarn auskommen. Die alten herrschaftlichen Gebäude der Behre und der Müggenburg lagen weiter entfernt als Westercelle. Und ob der Chausseeaufseher sein Bier im „Neuenkrug“ oder in der Müggenburg getrunken hat, ist fraglich. Nach der Regelung der Parochialverhältnisse werden es aber wohl eher die Celler Schankwirtschaften gewesen sein.

Zwar kam der Neusiedler einige Jahre ohne Nachbarn aus; dafür wird er tagaus, tagein die vielen Gespanne gesehen haben, die über die junge und wohl auch noch schadlose Chaussee zogen.

Vor 250 Jahren wurde dem Amtsvogt Georg Eberhard Hedemann in Hermannsburg ein umfangreiches Projekt „wegen eines neu anzulegenden Dorfes“ auf den Amtstisch gelegt. Der Ober-Appellationsrat „auf der Adelichen Bank“ am Königlichen und Churfürstlichen Ober-Appellationsgericht zu Celle Reichsfreiherr Jürgen Reinhard Langwerth von Simmern war es, der diesen Plan einer Besiedlung unserer menschenarmen Lüneburger Heide ausgearbeitet hatte. Das neue Dorf sollte auf dem Bätzloh zwischen Hermannsburg und Rebberlah angelegt werden. Alle Einzelheiten über Gewinnung von Weide, Rodung von Äckern, Erbauung eines Kruges und einer Mühle waren in dem Plan ausgeführt. Das Projekt musste scheitern, weil keine Weide für Großvieh vorhanden war. Dies wies der Amtsvogt von Hermannsburg mehr als überzeugend nach.

Der Reichsfreiherr gehörte zu jenen Idealisten, die im Einzelnen immer falsch, im Großen aber immer Recht haben. Für unsere Heimat ist nun von Bedeutung, wo sonst noch im Kreise Celle dieser menschenfreundliche Jurist siedeln wollte; denn da hat er einen Vorschlag gefunden, der jetzt verwirklicht worden ist. Es heißt dort: „Den Westercellern ist von mir dies proponiert, daß zwischen Westercelle und der Müggenburg ein Dorf anzulegen, zumalen in der Gegend der Behrenkämpe seindt, wie man noch siehet, vor dem Land gewesen und haben die Leute wegen Wildfraß abandonieren müssen, dem aber leicht zu steuern ist. Ein Teil der Leute haben es approbiert und nachdem ihnen solcher Gewinn worden, solches in Bedenken gezogen, wollen der Sache nachdenken und morgen Antwort nebst seiner Meinung bringen.“ Die Anlage des Dorfes erfolgte erst ein Menschenleben später, sodass Reichsfreiherr Langwerth von Simmern sie nicht mehr miterlebte.

Der Gedanke einer Besiedlung dazu geeigneter Teile des Wietzenbruchs nahm im Ausklang des 18. Jahrhunderts Formen an. Auf Grund einer an die Burgvogtei Celle gerichteten Verfügung vom 10. Dezember 1795 wurde ein Besiedlungsplan entworfen. Man dachte zunächst daran, eine Dorfsiedlung mehr im Innern des Bruches anzulegen, vielleicht dort, wo „Copperschanze“ (jetzt Dasselsbruch) lag. Wohl wegen der nachfolgenden Kriegsunruhen (1806/1813) kam dieser Plan nicht zur Ausführung. Gesuche um Überlassung von Siedlungs-land mussten unberücksichtigt bleiben.

Als nach den Freiheitskriegen wieder kräftig am Neubau des Vaterlandes gearbeitet wurde, nahm man den Gedanken der Besiedlung wieder auf. Ein großer Förderer des Siedlungsplanes war der Ober-Landes-Ökonomie-Kommissär Rat Friedrich Georg Ziegler aus Celle, der durch seinen Bericht vom 30. April 1821 die Angelegenheit wieder in Fluss brachte. Er prüfte die früheren Pläne auf ihre Durchführbarkeit und kam zu einer Ablehnung des Gedankens, die Siedlung in das Bruch zu legen, weil sie dann von den Verkehrswegen, auch von Kirche und Schule zu weit entfernt wäre und zudem große Schwierigkeiten bei der bevorstehenden Teilung des Wietzenbruchs entstehen würden. Er machte daher den Vorschlag, das Gelände zwischen dem Fuhsekanal und der Müggenburg westwärts der Chaussee von Hannover nach Celle zu wählen und dort 600 Morgen für 20 Siedlungen zu je 30 Morgen verfügbar zu machen.

Der Plan kam seiner Verwirklichung bedeutend näher, als in der Generalteilung des Wietzenbruchs, die in den Jahren 1815 bis 1825 erfolgte, der Landesherrschaft im Jahre 1823 eine Fläche von 150 Hektar brauchbaren Bodens durch Austausch zufiel. Sofort trat man in neue Erwägungen ein. Die Domänenkammer forderte unter dem 7. Oktober 1823 den Forstmeister Carl von Schlepegrell aus Fuhrberg und den Oberkommissar Johann Ludwig Greve aus Hoya zur Einreichung von Vorschlägen auf. Diese Männer machten sich in ihrem Bericht vom 24. Oktober 1823 den Vorschlag des Rates Ziegler zu eigen. Nun waren alle Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten beseitigt; daher konnte schon am 4. Dezember 1823 durch eine Verfügung der Domänenkammer an die kürzlich geschaffene Königliche Großbritannisch-Hannoversche Landdrostei in Lüneburg die Genehmigung zur Besiedlung der ausgeworfenen Fläche erteilt werden.

Eigenverlag, Adelheidsdorf 1997
604 Seiten, Hardcover, vergriffen
Tel. 05141/883813

 

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